Das erste Mal griff er wegen eines Mädchens zur Gitarre. Das Herz habe sie ihm gebrochen, die Summe der schmerzenden Teile größer als der Lebensmuskel, weil diese Liebe zweier 19-Jähriger, die
nicht logisch, auch nicht biologisch, sondern mythologisch erschien, letztlich wie einst der Urkontinent Pangäa zerbrach. Immer größer wurde die Distanz zwischen ihnen, der sie trennende Fluss
ein See, ein Meer, ein Ozean. Und dennoch rief Asaf Avidan, der Israeli mit dieser einzigartigen, charismatischen Heliumstimme in die Ferne, versuchte sich mitzuteilen, eine Brücke ans andere
Ufer zu schlagen. Im Kölner Gloria, während seines Solo-Konzerts, funktioniert dies wohl besser als damals. Die Botschaft kommt an. Und verursacht Gänsehaut.
Dabei ist der Gesang Avidans schwer zu beschreiben. Nach klassischen Maßstäben ist er alles andere als schön, eher quäkend, wehleidig, jaulend. Aber er rührt bis ins Mark. Oft wird der Mann mit
dem Irokesenschnitt als Sprössling von Janis Joplin und Bob Dylan bezeichnet, zwei der ganz Großen, die eine ähnliche stimmliche Qualität aufweisen. Im Gloria wird Avidan diesem Vergleich
durchaus gerecht: Er schreit, bettelt, tröstet, mahnt, trauert und lehrt mit einer Intensität, die seinesgleichen sucht – und schafft es dabei selbst in den dunkelsten Momenten, wieder den Weg
zurück ins Licht zu finden und zu lachen. Nein, depressiv wirkt er an diesem Abend nicht, eher gelöst. Vielleicht weil ihm jemand zuhört, ihn nicht allein lässt, sondern nur wegen ihm und für ihn
da ist. Oder vielleicht auch einfach deshalb weil Avidan, der ewig Suchende und Getriebene, zumindest auf der Bühne ein Gefühl von Zuhause sein erfährt. Und sich deswegen öffnet. Musik als
Therapie, bei vielen Künstlern herrscht dieses Klischee vor. Bei Avidan scheint es zu stimmen. Lustvoll erzählt er seinem leider sitzenden Publikum fast schon kabarettistisch anmutende
Geschichten aus seinem Leben, kommentiert seine eigenen Songs und offenbart fundamentale Gesetze in satirisch-bitteren Liedern („Hangwoman“, „Her Lies“). „Einige meiner Texte sind etwas schwer zu
entziffern“, gesteht er dann. Stimmt. Gerade das macht ja den Reiz aus.
Auch musikalisch verweigert sich Avidan einer Einordnung. Folk-Rock? Vielleicht, schon allein wegen der Akustik-Gitarre und der Vorliebe für Instrumente wie die Autoharp. Songer-Songwriter? Würde
auch passen. Und doch trifft es das nicht, erklärt nicht die teilweise sphärischen Elemente, die der Israeli mittels einer Loop-Maschine kreiert und die hin und wieder, bewusst oder unbewusst,
ein wenig gegen den Takt laufen, irritierend humpeln oder liebevoll verstören. Es sind diese Störelemente, die verhindern, dass man sich völlig der Musik hingeben kann, die nicht ganz perfekten
Abschlüsse eines Rhythmus-Patterns, diese eingesungene singende Säge, dieses knatternde Kazoo. Vielleicht soll das auch so sein. Nicht fallen lassen – zuhören. Präsent bleiben. Es lohnt
sich.
Kommentar schreiben