„Die 12 Geschworenen“: Im Zweifel für die Logik

„Schuldig! Er ist schuldig!“ Zum Schluss ist nur noch einer von zwölf Geschworenen vehement für die Mord-Theorie, nach der ein 19-Jähriger seine Freundin erstochen haben soll, was ihn wiederum – es gilt ja der alttestamentarische Spruch „Auge um Auge“ – auf den elektrischen Stuhl schicken würde. Es wäre so einfach gewesen. Doch in dem leicht modifizierten Kammerspiel nach dem gleichnamigen Film von Sidney Lumet von 1957, das die Abschlussklasse der Film Acting School Cologne (FAS) jetzt im Euro Theater Central aufführte, geht es nicht um ein schnelles oder einfaches Urteil. Auch nicht um die Wahrheit. Sondern lediglich um einen berechtigten Zweifel.

Zu Beginn des Stücks, dessen Vorlage bei Soziologen und Psychologen bis heute als ein Musterbeispiel zur Anschauung von Rollenverhalten, Gruppenverhalten und gruppendynamischen Prozessen gilt, ist dieser jedoch eine Mindermeinung: Alle waren davon überzeugt, dass der Junge der Täter war, Beweisführung und Argumentation der Staatsanwaltschaft (beides löchriger als ein Schweizer Käse – eine der größten Schwächen des Stücks) erschienen ihnen stichhaltig. Und wäre da nicht der penetrante Geschworene Nummer 8, wäre man innerhalb kürzester Zeit wieder zu Hause, in einer Kneipe oder im Baseball-Stadion. Dumm nur, wenn auf einmal, der Logik sei Dank, der gesamte Schau-Prozess auseinandergenommen wird. Und ein Geschworener nach dem anderen die Seiten wechselt.

Die aufgeteilte FAS-Klasse (die Hälfte spielte unter der Regie von Euro-Theater-Ensemblemitglied Johannes K. Prill am vergangenen Montag, die andere unter Johanna Paliatsou einen Tag später) hat sich mit diesem Stück keine leichte Aufgabe gestellt: Da von Aktion oder Handlung im Gegensatz zu einer temporeichen Farce keine Rede sein kann, muss die Charakterisierung der einzelnen Figuren meisterhaft gelingen, die Sprache an die Rolle und deren Interpretation angepasst werden – was allerdings eine gewisse Freiheit bei der Textarbeit voraussetzt. Eine Herausforderung in Sachen Rhetorik, an der selbst erfahrene Schauspieler zu knabbern haben dürften. Die FAS-Schüler schlugen sich dabei wacker und konnten vor allem dann glänzen, wenn das Stück ein wenig Dynamik zuließ. Insbesondere Geschworener Nummer 3, der bis zum Schluss aus persönlichen Gründen an die Schuld des Angeklagten glaubt, ermöglichte eine entsprechende Vielschichtigkeit, die in einem eindringlichen Finale mündete. 

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