Pause & Alich: Faule Tomaten als Ausdruck des Zorns

Altersmilde? Bei dem Begriff können Fritz Litzmann (alias Pantheon-Gründer Rainer Pause, der nach einem kleinen Krankheitsschub, durch den die Premiere um drei Tage verschoben werden musste, wieder auf dem Damm zu sein scheint) und Hermann Schwaderlappen (alias Norbert Alich) nur mitleidig mit dem Kopf schütteln. Für die beiden kommt so etwas einfach nicht in Betracht. Sich aufregen, das ist schließlich ihr Lebensinhalt. Krieg, Finanzlöcher, Flüchtlinge und wieder Krieg: Themen gibt es genug, bei denen das Blut schon automatisch zu kochen beginnt. Auch wenn es immer die selben sind.

Seit 25 Jahren stehen Pause und Alich zusammen auf der Bühne, wettern gegen das System, lassen seitdem die „Früchte des Zorns“ reifen, die sie nun in ihrem gleichnamigen Jubiläumsprogramm zu ernten gedenken. Mit gewohnt scharfen Zungen ziehen sie über die Probleme der Welt her, singen teils bissige Lieder und reden sich des öfteren in Rage. Wer allerdings ein Donnerwetter erwartet, das alles Vorhergegangene in den Schatten stellt, dürfte enttäuscht werden. Zumal es diesmal eine beruhigende Instanz gibt, die kurz vor der Explosion eingreift: Fritz Litzmann! Ausgerechnet er, das HB-Männchen des Herrn, hält den ungewohnt aufbrausenden Hermann Schwaderlappen immer wieder zurück, gibt sich gar des öfteren rational und friedfertig. Verkehrte Welt.

Das Geheimrezept Litzmanns: Faule Tomaten. Einfach einen Politiker auf dem Komposthaufen im Garten vorstellen, einen vergammelten „Goldapfel“ (pomodoro) in die Hand nehmen, zielen, treffen, jubeln und sich besser fühlen. Alternativ einmal mit der Linie 66 fahren, dann kommt man an all den Problem-Behörden vorbei, am Stadthaus ebenso wie am Bundesrechnungshof. Auch da können Tomaten helfen, sagt Litzmann. Die Wut, so sagt er, will er immerhin an den richtigen Stellen loswerden. Ob dies der richtige Weg ist, sei dahingestellt – zumindest dürfte er aber besser sein als der Schwaderlappens. Der regt sich nämlich über alles und jeden auf und greift dabei auf ein Vorurteil nach dem anderen zurück. Der selbst ernannte Feminist der ersten Stunde sieht in Alice Schwarzer eine Hetzerin, fordert eine Flüchtlings-Maut, beäugt kritisch die Bevölkerung Russlands („viele sind ja keine Russen, das sind Muslime“) und fordert die Abschaffung von Fleeceflusen zum Schutz der Nahrungskette. Als Gegenpol zum umgepolten Litzmann ganz unterhaltsam, auch wenn einige Sprüche etwas zu weit gehen. Da wäre die ein oder andere Tomate angebrachter gewesen.

Natürlich ist ein „Fritz & Hermann“-Programm ohne gelegentliche musikalische Einlagen nicht komplett. Die von Pianist Stephan Ohm begleiteten Lieder dienen als zusätzliche Zorn-Ventile („das geht uns auf die Eier“), als Entschuldigung („es war niemals bös gemeint“) und als Erläuterung (Hermann singt „Ode an die Freude“, Fritz ergänzt die Zeilen durch ein paar Rap-Passagen). Höhepunkt ist ein wildes Medley zum deutschen Straßenverkehr mit teils tiefschwarzen Versen – auch über vergleichsweise kleine Dinge kann man sich eben trefflich aufregen. Das Publikum goutiert dies mit kräftigem Applaus und zeigt sich von dem bunten, wenn auch teils etwas willkürlich zusammengemischt wirkenden Gesamtpaket begeistert.

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