„There is no Orchestra“: Schwesterliche Selbstbestimmung

Eifersucht, Sex, Ängste, Behinderung: Was in „There is no Orchestra“ nicht thematisiert wird, stellen die drei Schelhas-Schwestern, Protagonistinnen und Schauspielerinnen in Personalunion, schon gleich zu Beginn klar. Nur damit niemand die falsche Erwartungshaltung hegt. Diese autobiographisch geprägte Performance, die am Freitagmorgen in der Werkstatt des Theaters Bonn Premiere feierte, soll weder wehleidige Anklage noch Mitleidsgeheische sein, versteht sich auch nicht als Aufklärungsstück, nur weil mit Theresa Schelhas eine junge Frau mit Down-Syndrom auf der Bühne steht. Tatsächlich ist es sogar sie, die vehement derartige Punkte ausstreicht. „Soll ich eine Behinderte spielen?“, fragt sie schalkhaft und wankt prompt mit schiefem Gang über die Bühne. Nein, das muss wirklich nicht sein. Weg mit diesen plakativen Rollen. Los geht’s mit der Realität.

In insgesamt vier Akten stellen die Schelhasen Elisabeth, Theresa und Christina Aspekte ihrer selbst dar: Die Erstgeborene auf dem permanenten Selbstfindungstrip, von einem Job und einem Diplomarbeitsthema zum nächsten springend; das ständig umsorgte Nesthäkchen, das gerne mal um sechs Uhr morgens singt, sich gegen die Reglementierung durch andere auflehnt und gerne in allen Belangen vogelfrei wäre; und dazwischen das Sandwichkind, das „Opfer“, wie Elisabeth sagt, das so selbstbewusst ist, das Stück initiiert hat und sich doch zugleich nach der großen Liebe sehnt. Das alles funktioniert nach einem etwas verwirrenden Anfang samt wilder Schlacht um einen Sitzplatz, deren Funktion sich nicht so ganz erschließt, erfreulich gut – vor allem dann, wenn die Schwestern Tempo aufbauen und die repetitiven Erklärstücke Elisabeths aufbrechen, wenn aus dem Monolog ein Dialog wird. Großartig etwa, wenn sich Christina gegen ihre Opferrolle wehrt und sie doch nur annehmen kann, wenn sie die störenden Eigenschaften der anderen aufzählt, aufbegehrt, alle Wut rauslässt und letztlich konstatiert: „Ich habe keine Lust mehr, als Schwester einer Behinderten definiert zu werden.“

Gerade diese ist aber bei aller Spielfreude ihrer Geschwister der Star der Inszenierung. Theresa die Rampensau. In Polizeiuniform beherrscht sie die Bühne, verhaftet kurzerhand Christina und Elisabeth und untersucht mit einer kleinen Handkamera ohne Scheu ihren Körper. Erfrischend, ebenso wie das permanente Spiel mit dem Spiel, dem Nachstellen von Szenen mit Puppen und Playmobil. Einzig die Audio-Einspieler mit Familiengesprächen wirkten etwas deplatziert, zumal die geringe Tonqualität immer wieder zu Verständnisproblemen führt. Der einzige kleine Wermutstropfen in einem ansonsten sehr lohnenswerten Theaterprojekt dreier starker junger Frauen.

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