Theaternacht 2014: Tote Dichter und junge Kreative

Überall Theater. Bad Godesberg, Endenich, Innenstadt, Beuel: Bei der Bonner Theaternacht am vergangenen Mittwoch war überall etwas los. 122 Veranstaltungen an 30 Spielorten zeigten die gesamte Bandbreite der lokalen Bühnenszene und bildeten eine riesige Werkschau, bei der sich das Theater Bonn ebenso präsentieren konnte wie die zahlreichen freien Ensembles mit teils herausragenden Produktionen. Möglichst viel zu sehen, das war das Ziel – aufgrund des verschachtelten Terminplans war die eigentlich gewünschte Mobilität allerdings nicht immer ganz so einfach zu realisieren.

Als Zuschauermagnet erwies sich daher das Schauspielgelände Beuel. In insgesamt fünf Hallen deklamierten, tanzten und spielten sich Künstler in die Herzen der begeisterten Zuschauer, die Kurzfassungen faszinierender Projekte sahen. Der Andrang war enorm, so dass etwa die Tanzkompanie bo komplex, die körperlichen Anstrengungen hintenan stellend, kurzerhand zwei zusätzliche Termine ihres Doppel-Duos „es ist wie es ist“ anbot. Die Choreographie von Bärbel Stenzenberger und Olaf Reinecke geht dabei auf die nächste Generation über, nicht statisch, sondern dynamisch Parallel zeigen sie und die jungen Tänzer Theresa von Hunoltstein und Nils Freyer ihre unterschiedlichen Interpretationen, die sich innerhalb der Vorgaben unterschiedlich entwickeln, in manchen Momenten aber doch synchron verlaufen. Großartig – ebenso übrigens wie der Einblick in „Der Traum vom schönen Leben“, den der Jugendclub des Theater Bonn gewährte. Auch wenn das auf George Orwells „Farm der Tiere“ basierende Stück derzeit noch in der Probenphase steckt, sind die dystopischen Anklänge schon deutlich erkennbar.

Ebenfalls gut besucht war der „Dead or Alive“-Poetry-Slam in der Halle Beuel, bei dem Sulaiman Masomi gegen Bertholt Brecht in den Ring stieg. Zumindest in der ersten Runde eine nicht ganz ausgewogene Angelegenheit: Die Brechtschen Kurzgedichte waren zwar allesamt spritzig, ermöglichten aber keinen durchgehenden Humorbogen, während Masomi mit einer einzelnen Geschichte, deren Sprachtreff-Idee ohne weiteres von Jochen Malmsheimer entliehen sein könnte, trotz deutlich zu viel Hektik und einem unnötigen Schuss Selbstbeweihräucherung beim Publikum punkten konnte. Alternierend mit diesen Wortgefechten zeigten Schauspieler des Theaters Bonn Ausschnitte aus DirActors-Produktionen sowie zum Abschluss Szenen aus dem zu den Autorentagen in Berlin eingeladenen „Helmut Kohl läuft durch Bonn“.

Auch auf dem Gelände der Brotfabrik wurde einiges geboten. So zeigte das TheaterMutprobe einige sehr überzeugende Ausschnitte aus Alan Ayckbourns „Schlafzimmergäste“, auch das Theater Gerüchteküche sowie die spanischsprachige Gruppe LaClinica präsentierte aktuelle Produktionen. Die Bonn University Shakespeare Company war sogar gleich zweimal vor Ort: Mit dem Ein-Personen-Stück „Nipple Jesus“ und dem herrlich skurrilen, mit Akzenten und Dialekten spielenden „Lost... and translations“, von dem man gerne noch mehr sehen würde. Gleiches gilt für die exzellente Produktion „Mydentity“ des deutschlandweit renommierten Kinder- und Jugendtheaters Marabu, dessen meisterhaft spielendes (und sogar improvisierendes) Junge Ensemble sich mit Witz, Charme und vielen kritischen Gedanken auf die Suche nach dem eigenen Ich machen, verloren in einer von Konsum und Klischees definierten Welt, in der „My Way“ nur noch als rotzige Punk-Version ehrlich zu sein scheint.

Eigentlich müsste jetzt noch viel mehr erwähnt werden. Die Pathologie-Inszenierung von „Jedermann“ etwa, die Weltkriegs-Assoziationen der Uni-Gruppe S.U.B.-Kultur, die fantastisch schrägen Performances von fringe ensemble und CocoonDance im Theater im Ballsaal. Und und und. Hätte die Theaternacht doch nur acht Stunden. So aber war gegen Mitternacht Schluss, nur in der Oper feierten Besucher und Darsteller noch zu der Musik von Makeda und Christian Meringolo bis tief in die Nacht. 

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