Für ihn ist es das erste Mal, für etwa drei Viertel der Besucher auch: Olaf Schubert, der selbst ernannte Vergewaltiger des Bösen, einsame Mahner und Wortspielphilosoph, ist am vergangenen Freitag mit seinem Programm „So“ zu Gast in der Bonner Oper gewesen. Ein Novum. Aber eins, das passt. „Meine Stimme gibt’s ja her“, zwitschert der sächselnde Schlaks denn auch gleich zu Beginn. Na ja, das vielleicht nicht. Sein Witz aber schon eher. Schubert, der im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ an den Rhein gekommen ist, setzt auf Absurditäten am laufenden Band, hinter denen sich immer wieder feine Gesellschaftskritik versteckt, „in der Drastizität überhöht“, wie er zugibt, dafür aber nicht weniger treffend.
Er spricht aus, was andere nur peinlich berührt denken: Die Annexion der Krim ist ihm egal, weil sich diese so weit im Osten abspielt, dass es emotional auch gleich Tokio sein könnte; die
hinterzogenen Hoeneß-Millionen interessieren ihn auch nur da, wo sie ihm selbst fehlen (also beim entgangenen Soli); und die Benachteiligung von Frauen ist zwar ungerecht, aber für ihn doch
irgendwie auch nachvollziehbar.
So richtig böse kann ihm dennoch keiner sein – er meint es doch nur gut. Auch wenn er sich mal unglücklich ausdrückt. Alles für das Publikum: Die Tipps für gesünderes Essen, die Warnung vor zu
viel Facegebooke und Whatsgeappe, die Forderung nach mehr Ehrlichkeit. Schubert ist am Puls der Zeit, seine weise Botschaft im Gepäck und die helfende Hand ausgestreckt. Als ein paar Gäste zu
spät in den Saal kommen, lässt er sogar das Licht anschalten, um ihnen ein paar freie Plätze zuzuweisen – die leider ignoriert werden, schließlich gilt es ja, jene einzunehmen, die auch auf der
Eintrittskarte vermerkt sind, selbst wenn das bedeutet, unter den aufmerksamen Blicken Schuberts zweimal quer durch die gesamte Oper zu marschieren.
Der bleibt erstaunlich ruhig. Dabei kann der Herr Schubert auch anders: Sein Gitarrist Jochen ist immer wieder Ziel verbaler Attacken und kleiner Spitzen, die dieser aber stoisch über sich
ergehen lässt. Herr Stefan, der dritte im Bunde, würde das wahrscheinlich nicht mitmachen oder geht vielleicht, um gar nicht erst in die Verlegenheit zu kommen, sofort nach Trompeten- und
Bass-Einsatz wieder hinter den Vorhang. Bleibt also Jochen als williges Opfer von Mobbing auf offener Bühne, wofür der Verursacher sich immerhin – dafür ist er Olaf genug – später öffentlich
entschuldigt. Doch ab und zu muss er halt auf den Putz hauen, vor allem wenn etwas nicht so funktioniert, wie er es will. Dabei kann manchmal niemand etwas dafür: So saust beim wilden Einsatz
eines Paares Maracas auf einmal ein Instrumentenkopf quer über die Bühne. Herrlich. Von wegen abgesaugte Muskeln.
Zwischen den Schubertschen Ausführungen setzt der Tausendsassa auf sein musikalisches Talent. Sofern man denn davon sprechen mag. Seine kruden Reime haben fast schon etwas von Helge Schneider,
auch sein Gesang hat einen ähnlich schrägen Charme, der mit dem glänzenden Spiel seiner Zweimannband kontrastiert. Passt zum Gesamtkonzept. Scheinbar nichts können und nichts sinnvolles zu sagen
haben, diese Illusion hält Olaf Schubert konstant aufrecht. Auch wenn man immer wieder einen kleinen Blick hinter die Fassade erhascht, die Logik hinter der Sinnentleertheit erkennt, den Inhalt
mit Anspruch in einem Programm, das sich eigentlich Anspruch ohne Inhalt auf die Fahnen geschrieben hat. All das versteckt in einem satirischen Wirrwarr aus Kalauer-Ratschlägen und fantastischen
Wortkonstruktionen in gelb-grünen Rhombenmustern. Das kommt an: Am Ende gibt es stehende Ovationen für Olaf Schubert. Der Witz gab's ja auch schließlich her.
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