Jürgen Becker: Die Kunst des röhrenden Hirschs

Da doziert er wieder. Gut so. Offenbar hat Jürgen Becker sich von seinem schweren Motorradunfall wieder völlig erholt – auf der Bühne des Pantheon ist der Kabarettist auf jeden Fall gleich an zwei aufeinander folgenden Abenden permanent in Bewegung, deutet, erklärt, analysiert mit sichtlicher Leidenschaft sein Steckenpferd, die Kunst, schlägt dabei den Bogen von steinzeitlichen Höhlenmalereien zur Moderne und schafft es dabei, viel zu vermitteln ohne zu langweilen. Ein Talent, von dem sich mancher Pädagoge noch eine Scheibe abschneiden könnte.

Allerdings vermischt Becker in seinem Programm „Der Künstler ist anwesend“ durchaus mal Fakt und Fiktion – und nicht immer löst er dies auf, auch wenn meistens die Pointen so dick aufgetragen sind, dass sie unübersehbar herausstechen. Manche Gags sind sogar so brachial, dass ein Verzicht aus ästhetischen Gründen angebracht wäre: Angela Merkel und Sigmar Gabriel in der aufreizenden Pose von Francisco de Goyas „Nackter Maja“ sind nun wirklich nicht erbaulich. Störender sind jedoch kleinere historische Ungenauigkeiten mit Blick auf die Kirchengeschichte, die Becker bei seinen Erörterungen immer wieder mit einbezieht. „Die Gründung der katholischen Kirche beruht auf Pfusch“, ruft er etwa mit Blick auf die offenkundig gefälschte Konstantinische Schenkung – eine Aussage, die so nicht ganz zutrifft. Kleinigkeiten, mögen manche nun sagen. Die aber in einem didaktisch ausgerichteten Programm eigentlich nicht nötig wären.

Dabei ist der Diskurs zwischen Kunst und Religion das zentrale Motiv von Beckers Ausführungen. Von den Bildern als urzeitlicher Magie über die Darstellung von Heiligen in der Sixtinischen Kapelle bis hin zu dem kontinuierlich auf der Bühne gezeigten Gemälde Max Ernsts mit dem Titel „Die Jungfrau züchtigt den Jesusknaben“ (was nach Aussage des Künstlers selbst zu einem Kirchenausschluss durch dreimaliges „Pfui“ geführt habe) zieht er sich wie ein roter Faden durch das Programm. Dazwischen stehen Lektionen zu der überschäumenden Lust an der Darstellung im Barock, dem Glück Caspar David Friedrichs mit dem Wetter und der Aussage eines röhrenden Hirschs. „Kunst steht für die Erhaltung der Art und die Erschaffung der Welt“, sagt Becker dazu. Ein schöner Satz.

Die stärksten Momente zeigt Becker da, wo er seiner Begeisterung freien Lauf lässt, wenn er Kunst einfach zeigt, statt sie wie so viele Besucher von Vernissagen zu sezieren, und letztlich dem Pompösen die Luft ablässt. Hauptsache, die Perspektive stimmt. Mit dem richtigen Blick erschließt sich vieles. Ob es nun eine Höhlenmalerei ist oder eine Ente von unten.

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