Dolly Parton: Eine Stimme mit zwei Bergen

„Jemand hat mir mal gesagt, ich sei die einzige Frau, die die Berge verlassen und sie zugleich mitgenommen habe“, sagt Dolly Parton, streicht über ihre Brüste und lacht. Es ist einer von vielen selbstironischen Momenten an diesem Abend in der Lanxess-Arena in Köln, einer, bei dem die Country-Ikone mit ihren offenkundig künstlichen Reizen ebenso kokettiert wie mit ihrer Herkunft. Von den Smoky Mountains, wo sie zusammen mit elf Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, auf die großen Bühnen dieser Welt. Rekordhalterin bei den Grammy Awards (46 Nominierungen, sieben Auszeichnungen), 25 Nummer-1-Hits in vier Jahrzehnten, laut dem Brachenblatt Billboard die reichste Frau in der Geschichte der Popmusik.

Ein Erfolg, der seinesgleichen sucht. Und der nicht wegen irgendwelcher Berge entstand, sondern aufgrund einer Goldkehle, die auch heutzutage noch unverkennbar klingt, kristallklar, ausdrucksstark und verzaubernd. Playback, wie ihr Nachrichtensprecherin Kay Burley beim diesjährigen Glastonbury Festival vorwarf? Mitnichten. Partons medialer Konter: Oberweite und Haare seien vielleicht nicht echt, ihre Stimme und ihr Herz aber schon.

Vor gut 6000 Fans – viele von ihnen mit Cowboyhüten oder ähnlichen Accessoires – stellt die 68-Jährige dies in der Domstadt eindrucksvoll unter Beweis. Songs von ihrem aktuellen Album „Blue Smoke“ treffen auf Stücke aus Partons Kindheit wie „Banks of the Ohio“, das ihre Mutter früher immer gesungen habe, oder auf die klassische Bluegrass-Nummer „Rocky Top“. Auch das oft gewünschte „Little Sparrow“ stimmt die Blondine an, a capella, nur zum Teil mit Chorbegleitung. Fantastisch. Parton hält die Spannung, ihre Stimme ist auf dem Punkt, die Atmosphäre im Saal ist wie die Ruhe vor dem Sturm, der sich letztlich in einem ohrenbetäubenden Applaus entlädt. Kommt an diesem Abend häufiger vor, nicht zuletzt bei den größten Hits: „Jolene“ steht gleich zu Beginn auf dem Programm, „Island in the stream“, „9 to 5“ und die durch Whitney Houston unsterblich gemachte Hymne „I will always love you“ bilden nach etwa zweieinhalb Stunden den Abschluss.

Dolly Parton gibt auf ihrer Tour einen Überblick über ihr gesamtes künstlerisches Schaffen, singt Balladen, klassischen Country-Pop, hat sogar einen Gospel im Programm, bei dessen Anmoderation das Publikum enthusiastisch „Amen“ und „Halleluja“ ruft. Später wird es sogar rockig: Parton, inzwischen im schwarzen Glitzerkostüm (ja, diese Frau kann auch so etwas tragen), greift bei „Better get to livin'“ und „White Limozeen“ so selbstverständlich zur E-Gitarre, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Überhaupt wechselt sie die Instrumente mindestens ebenso häufig wie die Musikstile: Geige, Banjo, Orgel, Flöte, Autoharp und sogar ein Mini-Saxofon kommen zum Einsatz, so als ob die Band, die im Hintergrund einen hervorragenden Job macht, nur schmückendes Beiwerk ist.

Natürlich ist vieles, was so spontan, locker und unverblümt daherkommt, in Wahrheit Teil einer minutiös einstudierten Show. Um so bemerkenswerter ist es, dass es Parton gelingt, die Illusion vom kecken Landei weitgehend aufrecht zu erhalten und dennoch immer wieder ihre eigene Kunstfigur reflektiert, über ihre Perücke oder ihre diversen Schönheits-OPs spricht („Es kostet ein Vermögen, so billig auszusehen wie ich“, scherzt sie einmal – manche Dragqueen könne das wahrscheinlich gut nachvollziehen). Kein anderer Country-Star könnte mit so etwas durchkommen. Den Traum vom braven Mädchen derart zu brechen oder sich als Ikone der Homosexuellen-Bewegung zu etablieren, wie Parton es immer wieder gerne tut, ist in der Szene eigentlich ein Todesurteil. Das darf nur Dolly. In Köln, wo am Sonntag der Christopher Street Day veranstaltet wird, wird sie dafür besonders stark bejubelt. Stehende Ovationen für eine echte Ikone.

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