„Waffenschweine“: Patriotismus und Bierseligkeit

Saufen, Singen, Fechten und dann wieder Saufen: Schlagende Verbindungen haben in Deutschland keinen guten Ruf. Von Rechtsextremisten unterwandert dienen sie als Hort nationalistischen Gedankenguts, dessen Mitglieder dank der Seilschaften der alten Herren in Positionen kommen, die sie sonst nicht verdient hätten. Vorurteile, die zum Teil ihre Berechtigung haben – doch es gibt auch eine andere Seite der Medaille, wie das Theater Bonn jetzt in seinem Projekt „Waffenschweine“ in den Kammerspielen Bad Godesberg zeigt.

Regisseur Volker Lösch bringt auf der Grundlage von Interviews, die Autorin Gesine Schmidt mit aktiven und ehemaligen Burschenschaftlern führte, die Rituale und Weltanschauungen auf die Bühne, die zum Teil schon vor dem Wartburgfest 1817 in studentischen Verbindungen gelebt wurden. Der Inszenierung gelingt es dabei, ohne einen erhobenen Zeigefinger auszukommen, sondern stattdessen ein differenziertes Bild zu zeichnen, in dem sich Lebensbund-Prinzip, Patriotismus in all seinen Ausführungen, Ehrgefühl und Bierseligkeit zu einer gleichermaßen unterhaltsamen und erschreckenden wie lehrreichen Melange verbinden.

Die ideologischen Gräben zwischen den heute bestehenden Verbindungen zeigt das Stück am deutlichsten am Beispiel eines Antrags der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ aus dem Jahr 2011, eine andere Vereinigung aus dem gemeinsamen Dachverband auszuschließen, weil diese einen Deutschen mit chinesischen Wurzeln aufnahm. Ein Unding, sagten die Raczeks, für die die Abstimmung essentieller Bestandteil ihres Verständnisses von Burschenschaften ist. Die Parallele zum Ariernachweis der Nationalsozialisten ist nicht von der Hand zu weisen. Lösch lässt die eine Hälfte seines achtköpfigen Männer-Ensembles eben jenen Antrag chorisch vortragen, setzt dem aber zugleich mit dem offenen Brief der Marburger „Arminia“ eine liberalere Position entgegen. Ein Konzept, das sich durch das gesamte Stück zieht. Ehre, Freiheit, Vaterland, die drei Grundgedanken deutscher Burschenschaften: Zu jedem gibt es unterschiedliche Ansätze, was die immer wieder auftretende Germania (die starke Sophie Basse als einzige Frau mit tragender Rolle in dieser Männer-Domäne) an den Rand der Verzweiflung bringt, wo sie in einem Atemzug grölt und räsoniert, zerrissen und nur zum Teil verstanden. „Deutschland, Deutschland über alles“ singen, aber „Einigkeit und Recht und Freiheit“ ignorieren...

Doch bei aller kritischer Betrachtung von Ideologien: Szenisch am auffälligsten sind andere Momente. Wildere. Exzessivere. Immer wieder untermalt von Kommersliedern lassen vier Corpsstudenten und vier Burschenschaftler auf der Bühne die Sau raus, saufen in einem fort, fühlen sich dabei männlich und benehmen sich dabei doch eher wie Tiere. „Das hier ist ein Ort der Freiheit. Alles ist erlaubt“, sagen sie. „Radical self-expressions“. Mit Bierverpflichtung. Und wer der nicht nachkommt, wird bestraft. Unter anderem indem er die Hodensäcke seiner Kumpanen ins Gesicht bekommt. Muss so etwas denn auf offener Bühne gezeigt werden, mögen nun einige fragen. Nein. Aber es kann. Dramaturgisch ergibt diese Entblößung sogar Sinn. Wenn man schon in die Welt der Burschenschaften eintaucht, dann vollständig. Mit allen Details. Ein Urteil kann sich letztlich jeder selber bilden. Bei der Premiere fiel dies positiv aus: Das Publikum, darunter diverse echte Farben tragende Burschenschaftler, applaudierte begeistert. 

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