Richard Bargel: Sumpf-Blues zwischen Melancholie und Augenzwinkern

Willkommen in den Sümpfen. Da wo Mangroven thronen, Alligatoren lautlos am Ufer liegen und die Luft erfüllt ist mit dem Geruch von feuchter Erde und erstickendem Leben. Es ist das Reich von Voodoo-Königin Marie Laveau, in das Richard Bargel mit quälend gemächlichem, brillantem Slide-Spiel und sonorer tiefer Stimme entführt, in triefender Melancholie verharrend, während die Dobro wimmert, ein Bogen die Bass-Saiten erschaudern lässt und dezente, aber effektvolle Perkussion die Atmosphäre noch vertieft. Ein Geniestreich, das der in Bad Godesberg aufgewachsene Blues-Veteran anderthalb Jahre nach einem schweren Hörsturz nun im Pantheon Casino zusammen mit seiner Dead Slow Stampede zum Besten gibt. Und nur eins einer ganzen Reihe von Songs, die sein neues Album „It's Crap“ schmücken.

Die ärztlich verordnete Auszeit scheint Bargel letztlich gut verkraftet zu haben. Zwar ist das Projekt „Men in Blues“ mit Ex-BAP-Gitarrist Klaus „Major“ Heuser leider Geschichte, doch von Stillstand kann keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Der 63-Jährige zeigt sich zusammen mit seinen drei Band-Kollegen erfreulich abwechslungsreich, bleibt dabei aber zugleich weitgehend authentisch. Vor allem wenn der Blues stampft und schnaubt, von Drummer Geert Roelofs und dem kurzfristig eingesprungenen Bassisten Christian Raimondo getrieben, aber nicht gehetzt, während darüber Bargel und C-Gitarrist Fabio Nettekoven die Saiten bearbeiten, ist das ein Genuss, der seinesgleichen sucht. Der Altmeister und das 22-jährige Nachwuchs-Talent: Eine hervorragende Kombination.

Schwächen zeigen sich lediglich dann, wenn Bargel mehr oder weniger augenzwinkernd den mahnenden Zeigefinger hebt. Seien es Schnäppchenjäger und Billigware („It's crap“) oder angeblich hirnlose Fernseh-Figuren („You got no brains“ in schrägem Hillbilly-Gewand), sonderlich überzeugend wirken derartige Songs, die letztlich das Standard-.Material zahlreicher Comedians recyclen, nun wirklich nicht. Glücklicherweise sind sie beim Konzert im Casino die Ausnahme, sind nur leichte Misstöne in einer ansonsten herausragenden Sinfonie. Denn kurz darauf zaubert Bargel wieder, verneigt sich mit „Bad Manners“ stilecht vor Robert Johnson, gibt mit „The Family“ den folkig angehauchten Songwriter, holt den Delta-Blues-Musiker Son House mit dessen a-capella-Version von „John the Revelator“ zurück aus dem Jenseits oder versetzt in dem bereits hinlänglich beschriebenen „Lady of the Black Bamboo“ Marie Leveau zumindest textlich in die südostasiatischen Bambuswälder, die dann musikalisch von Mangroven überwuchert werden. Musik wie ein 30 Jahre alter Whiskey. Herrlich.

Das Publikum, darunter Bargels Familie und langjährige Freunde, ist auf jeden Fall restlos begeistert, spendet am Ende kräftigen Applaus und versöhnt sich so letztlich auch mit dem „Man in Blues“, der zunächst durch eine anhaltende Reserviertheit im Saal etwas irritiert wirkte. Ein Bann vielleicht? Es könnte Voodoo aus Louisiana gewesen sein. Oder Kreuzungs-Magie aus dem Mississippi-Delta. 

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