Manchmal täuscht der erste Eindruck. Wiebke Eymess und Friedolin Müller etwa wirken im Pantheon Casino, als ob sie kein Wässerchen trüben könnten. Zwei Träumer, die eigentlich nur spielen wollen. Putzige Unschuldslämmer, die unter dem Baum der Erkenntnis grasen. Ja klar. Wie gesagt, der erste Eindruck. Denn in Wirklichkeit hat es das Duo, das als „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“ seit einigen Jahren beständig einen Kleinkunstpreis nach dem anderen abräumt und jetzt mit seinem neuen Programm „Paradiesseits“ als öko-kabarettistische Adam-und-Eva-Variante durch die Lande tourt, faustdick hinter den Ohren.
Eine Spitze jagt die nächste, eingebettet in ein neckisches Dauerfeuer, das bei anderen Künstlern schnell aufgesetzt erscheinen würde, bei diesem Paar aber so herrlich charmant ist, dass der
innere Glücksbärchi zum Vorschein kommt. Der sich dann verwundert umschaut, wenn Wiebke und Friedolin einmal mehr Massentierhaltung und Konsumgier ins Visier nehmen, Philosophie, Soziologie und
Psychologie zu Hilfe nehmen und sich letztlich immer wieder fragen, ob der Apfel nicht besser am Baum geblieben wäre.
Natürlich geht es, der Programmtitel deutet es bereits an, um das Paradies, das Wiebke kurzerhand auf dem Land verordnet, da, wo es einen großen Garten gibt und vielleicht noch Platz für einen
Gnadenhof. Da interessiert sich dann auch niemand mehr für die CO2-Bilanz der ganzen Vierbeiner, die in der Stadt ausschlaggebend für die Haustierwahl sind (Gewinner: ein Zwerghamster). Dumm nur,
dass Friedolin lieber im Diesseits bleiben will, in der pulsierenden Metropole Hannover, wo der Tanzbär nicht länger im Wanderzirkus steppen muss, sondern zum urbanen Flirren abgeht. Eine
Position, die man dem jungen Mann allerdings nicht so ganz abnimmt. Denn gerade er ist es, der in den immer wieder eingestreuten, minimalistisch instrumentierten Liedern den Romantiker gibt und
mit warmer Stimme von besseren Zeiten an der Copacabana träumt. Wiebke dagegen offenbart sich als Chaotin, die gerne mal aus voller Überzeugung völlig falsche Wissensketten generiert und damit
auch ohne die Einbeziehung von Illuminaten, Templern und Bielefeldern zu teils völlig abstrusen Weltverschwörungstheorien kommt. Aber egal: Das macht sie nur noch charmanter.
Letztlich dürfen die beiden frisch gebackenen Eltern alles: gelegentlich die moralische Keule zugunsten der Nutztierrechte schwingen, ein paar Radieschen auf der Kleidung haben (Vorsicht,
Kalauer), über Roadkill-Küche und Freilauflauch sprechen oder sogar über Intimrasuren. Peinlich wird es in keinem Moment. Lustig dagegen schon. Alleine für „Das Geld liegt auf der Fensterbank,
Marie“ hat sich der Sündenfall bereits gelohnt.
Kommentar schreiben