„Peter Pan“: Ein Haken nach dem anderen

Singen will gelernt sein. Vor allem, wenn man eine Rolle in einem Semi-Musical hat, das für die ganze Familie ausgelegt ist. Ohne saubere Töne geht es eben nicht. Wie bei „Peter Pan“, das das Theater Bonn jetzt in den Kammerspielen Bad Godesberg auf die Bühne bringt, leider offensichtlich wurde. In der Premiere am vergangenen Samstag zeigten sich unter der Regie von Katja Wolff teils massive musikalische Schwächen – zusammen mit einer übertrieben aufgesetzten Kindhaftigkeit, mäßigen Kompositionen und einigen dramaturgischen Mängeln drohte der Aufführung so der völlige Niedergang. Bis Käpt'n Hook und sein getreuer Smee das Stück doch noch ein Stück weit aus dem Krokodilsrachen der Belanglosigkeit ziehen konnten.

Die beiden Piraten waren zweifelsfrei die Helden des Stücks, stimmgewaltig und ausdrucksstark. Daniel Breitfelder verlieh dem fiesen Hakenträger einige Ähnlichkeit mit Jack Sparrow, ohne ihn dabei jedoch der Lächerlichkeit preis zu geben, präsentierte sich in prächtiger Musical-Laune mit zahlreichen Anspielungen und einer exzellenten Collage berühmter Melodien und konnte doch fast ebenso gut keifen wie einst Dustin Hoffmann. Ihm zur Seite sorgte Mackie Heilmann als liebenswerter Sidekick mit viel Witz und Sangeskunst für einige der schönsten Momente – die sich leider auf die zweite Hälfte der anderthalbstündigen Produktion beschränkten. Denn ausgerechnet Peter Pan, der Junge, der nicht erwachsen werden will, musste schier ewig im Schlafzimmer der Darlings ausharren, während die patzige, leicht hochnäsige Wendy (Maya Haddad) und ihr kleingeistiger Bruder Michael (Julian Lührs) Blödsinn trieben, dabei aber viel zu laut und viel zu grell und viel zu aufdringlich waren. Überzeugen konnte dies nicht – ebenso wenig wie der Auftritt von Peter (Jonas Minthe), dessen Abenteuerlust und Unbeschwertheit so aufgesetzt wirkten, dass der literarische Charakter beinahe schon ad absurdum geführt wurde. Ähnlich erging es der Fee Tinkerbell (süß: Odine Johne in einem LED-besetzten Kostüm), die aber nach einem überkandidelten ersten Auftritt langsam zu mehr als nur einem die Handlung kommentierenden Klischee wurde, tatsächlich Komplexität und Charme erhielt und selbst in ihren eifersüchtigen Auseinandersetzungen mit der pubertär baggernden Wendy um die Zuneigung Peters an manchen Stellen Klasse zeigte. Geht doch.

Erst nach 40 Minuten brachen die Darlings mit Peter Pan und Tinkerbell auf nach Nimmerland, jetzt erst begann das Abenteuer mit den verlorenen Jungs (bestehend aus Studierenden der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft). Eine viel zu lange Einleitung, die durch die mäßigen Lieder von Carsten Gerlitz (erfahrene Chorsänger dürften jetzt wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen) nur noch weiter abgewertet wurde. Immerhin: Gerade bei diesen überschaubaren Kompositionen wäre zu erwarten gewesen, dass das Ensemble sie in ähnlich annehmbarer Weise erklingen lässt wie es viele Laienchöre seit Jahren mit vergleichbaren Gerlitz-Arrangements tun. Stattdessen lag die Intonation am Boden, Disharmonien zwischen Sängern und Pianist Marcus Schinkel beherrschten die Szenerie, zahlreiche Töne waren schlichtweg schief. Die Gesangspartien wurden so zur Tortur – und blieben es. Einzig Breitfelder und Heilmann (die auch das mit Hundemaske versehene bissige Kindermädchen Nana spielte) brachten die Gesangsleistungen, die man von einem professionellen Theater mit Musical-Ambitionen erwarten kann. Gerade in Bonn, in dem mit dem Theater Marabu und dem Jungen Theater Bonn jedoch zwei herausragende Jugendtheater etabliert sind, reicht dies leider nicht aus. Dennoch bedachte das freundliche Publikum das Ensemble mit herzlichem, lang anhaltendem Applaus.

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