Karl Dall: Der Humor stirbt zuerst

Senioren-Soli sind derzeit unter Entertainern anscheinend sehr beliebt. Überall Ein-Mann-Stücke über das Altern. Henning Venske macht es, zuletzt Jochen Busse, jetzt eben Karl Dall. Letzterer ist seit gut einem Jahr mit „Der Opa“ von Bjarni Haukur Thorsson auf Tour und machte in den vergangenen zwei Tagen im Pantheon Station. Dall selbst sieht sich in der Rolle seines Lebens – und das Publikum konnte nur mit teils entsetztem Blick dabei zusehen, wie der ehemalige Anarcho-Blödel-Meister sich vor grauenhaft projizierten Aquarell-Verschnitten mühsam durch ein inkohärentes, von banalen Witzen überflutetes Stück hangelte und dabei stellenweise das Niveau in den Mariannengraben zog.

Denn als er, der Opa Dall, davon erzählte, wie er bei einer Prostata-Untersuchung die Hosen runterlassen musste, sich dabei als den König der Dreibeinigen bezeichnete und eine Dödelverkürzung rigoros ablehnte, sehnte man sich förmlich nach ein paar auf einmal intelligent erscheinenden Sprüchen von Mario Barth.

Dabei hätte Dall das alles gar nicht nötig: Im direkten Kontakt mit dem Publikum zeigte er sich schlagfertig wie eh und je, derb, aber nicht unter der Gürtellinie. So wurde, unter anderem da ihm ein paar Leute aus Much offenbar suspekt waren, der ihm altersmäßig überlegene Heinz kurzerhand zum Souffleur (der aber nie eingreifen musste). In diesen Momenten zeigte Dall eine Spritzigkeit, die in den Theaterpassagen leider fast völlig verloren ging. Ja, der Ostfriese ist kein ausgebildeter Schauspieler wie sein Freund Jochen Busse – aber etwas mehr Leidenschaft, Lockerheit und Differenziertheit wäre schon zu erwarten gewesen. Immerhin ging es um private Themen, um die Familie, um die Geburt eines Enkelkindes, um Leben und Sterben. Sterben: Bei diesem letzten Punkt kam Dall auf einmal zur Ruhe, wurde ernst – und überzeugend. Er sprach von der Vergänglichkeit, erinnerte sich an den Tod des Vaters, war authentisch, nachdenklich, brachte das Publikum zur Ruhe. Es hätte der Wendepunkt sein können. Stattdessen kam die Pause. Und danach das anale Trauma, das den Humor endgültig unter die Erde brachte.

Als wäre das noch nicht genug, griff Dall im Anschluss tief in die Musikkiste. „'Millionen Frauen' oder 'Diese Scheibe ist ein Hit' wollte ich auf jeden Fall nicht mehr singen“, sagte der Komiker erst neulich in einem Interview – aber für seine Version der Capri-Fischer reichte es noch. Krächzend und vom Getröte einer Gießkanne mit Trompetenmundstück begleitet machte Dall sich einmal mehr für die Zuschauer zum Affen. Irgendwie traurig, dass er sich nie davon hat lösen können. Zumal gerade diese künstlich aufgepfropfte Szene, in der verzweifelt versucht wird, auch ja alle Publikumswünsche zu erfüllen, die wahre Natur des Stücks zeigte: Im Mittelpunkt steht nicht etwa eine erzählenswerte Geschichte, auch nicht eine überzeichnete Biographie eines Unikums, sondern lediglich ein Abziehbild mit aufgemalter roter Nase. Der eindimensionale Seniorenclown, der mit blauen Pillen bewaffnet samt Kind und Kegel nach Mallorca fliegt und sich freut, dass es jetzt die eigenen Enkel sind, die mit einer Mischung aus Rotz und Eiscreme auf dem Balkon neben einem stehen, und nicht die baugleichen Gören von irgendeinem Gesocks. Weil alle anderen ja doof sind. Ein enttäuschendes Fazit. 

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