Matthias Deutschmann: Giftiger Melancholiker mit Gauckschen Anwandlungen

„Die Stimmung ist im Keller – ich hol sie da schon raus“, verspricht Matthias Deutschmann im Pantheon. Fiesling. Der tut nur so nett, streckt in Wahrheit aber lediglich die Hand aus, um sie in letzter Sekunde wegzuziehen. Ein Schein von Hoffnung, bevor die giftige Satire des Kabarettisten mit dem so schön wehmütig klingenden Cello wieder zuschlägt. Nein, Deutschmann hat sich nicht verändert: Scharfzüngig, provokant und dabei immer absolut ruhig analysiert er seit 30 Jahren Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und findet lediglich den stumpfen Glanz des Bernsteins. Keine Brillanz. Wie auch, wenn am Firmament Madame Angela Jenachdem neben Costa Berlusconia steht. Selbst der frühere Leitstern Barack Obama hat an Leuchtkraft verloren. Ein Himmel voller Arschgeigen, denkt sich Deutschmann – und spielt lieber Cello.

Dabei geht der Freiburger nicht zimperlich zu Werke. Weit ausholend schlägt er den Bogen von Griechenland-Pleite über Atomausstieg und Alice Schwarzer bis hin zu Papst Franziskus. Drohendes Crescendo. Doch zumindest über letzteren kann Deutschmann nichts Schlechtes sagen. Außer, dass er nichts Schlechtes über ihn sagen kann, was wiederum schlecht fürs Geschäft ist. „Jeder Kabarettist muss was über einen Papst im Programm haben“, sagt er selbstreflexiv – und zieht dann eben über Benedikt XVI. her. Und über Religion im Allgemeinen. Irgendwie muss er ja die vorsätzlich gute Laune des Publikums brechen können. „Der provoziert mich nicht“, mögen die Besucher manchmal denken. Bis Deutschmann den spitzen Stachel mal wieder richtig tief in die Wunde treibt. Sei es mit chirurgischer Präzision oder roher Gewalt. Wenn er dem umstrittenen Verfassungsschutz das Recht auf Waffen abspricht, weil es ja sonst die Gestapo wäre, oder die Analverkehr-Passage in Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ aus kybernetischer Sicht interpretiert, wenn die Zuhörer dann anfangen zu schlucken und zu zucken – dann hat Deutschmann sein Zeil erreicht. Eine Katharsis.

Bei aller Kritik, bei allen sarkastischen Äußerungen über Beschneidungsdebatte („Director's Cut“), Finanzkrise („Jetzt steht ein Merkel-Ferkel vor der Akropolis“), FDP-Wahldebakel („Die hat sich selbst befreit, quasi liberalisiert“) und Krankenhaus-Skandale („Ich sag nur Wanderniere“) – ganz so negativ sieht Matthias Deutschmann dann doch nicht alles. Fällt kaum auf, ist aber so. Denn ab und zu überkommen ihn Gaucksche Anwandlungen: Große Pläne, Aufrufe zu mehr Mut und Zusammenhalt. „Wir schützen doch die Verfassung, indem wir sie leben“, ruft er dann mit sonorer Stimme. Nur um wieder von der Realität eingeholt zu werden. Mist. Und ausgerechnet jetzt gehen die vertretbaren Positionen aus. Bleibt nur die Hoffnung auf die eigene Altersradikalität im Stile Helmut Schmidts. Und irgendwann auf einen vielsagenden Grabstein auf dem Zentralfriedhof der Kabarettisten, den Deutschmann für Bonn fordert. Den richtigen Spruch hat er sich schon erwählt: „Wer die Wahrheit verkünden will, sollte seit Pferd gesattelt lassen.“ Sagt's und reitet begleitet vom großen Jubel des Publikums dem Sonnenaufgang entgegen.

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