Pekka Kuusisto: Metamorphosen einer Skelett-Geige

Elektronik trifft Folk, wabernde Spährenklänge aus einer Loop-Maschine auf einen virtuosen Geiger: Üblicherweise würde jetzt der so gerne bemühte Begriff „Crossover“ fallen. Doch bei Pekka Kuusisto wäre dies fatal. Der Finne hasst dieses Wort, impliziert es doch zuvor vorhandene Grenzen, die überschritten werden müssen. „Es ist alles einfach Musik“, sagt er. Und lässt dann sein Instrument sprechen. In der Straßenbahnhalle Dransdorf erweckt er die Polskas und Menuette zu neuem Leben – in der ersten Konzerthälfte ganz allein, nur durch die Technik unterstützt.

Immer wieder nimmt der international anerkannte Violinist nach und nach verschiedene Stimmen auf, singt und fidelt fröhlich übereinander schichtend ganze Streichorchester-Passagen ein, während seine elektronische Skelett-Geige einer kontinuierlichen Metamorphose unterzogen ist, mal als Bass, mal als Ukulele und mal als Synthesizer fungiert. Kuusisto beweist dabei ein bemerkenswertes Gespür für das richtige Maß, spielt genussvoll mit dem Potenzial der Elektronik, ohne dieses jedoch zu überreizen. Im Mittelpunkt bleiben bei allen Experimenten die teils klagenden, teils fröhlich tanzenden Volksweisen, denen Kuusisto mit seinem gefühlvollen Geigenspiel eine Stimme verleiht. Auch ein Ausflug zu Johann Sebastian Bach erfolgt, dann wieder erinnert die Melodie an die Grüne Insel – und dann wieder an neckisch tanzende Trolle.

Später holt Kuusisto Musikerkollegen auf die Bühne: Mit den Luomo Players setzt er noch deutlicher auf modernen Folk, traditionell und zugleich offen, an die „Pelimanni“-Musik (Spielmannsmusik mit Geige, Akkordeon und Bass) angelehnt und zugleich immer darüber hinaus gehend. Starre Regeln? Alles, nur das nicht. So nutzt etwa Perkussionist Zarkus Poussa alles, was ihm für seine Rhythmik angemessen scheint, vom indischen Ghatam über normale Trommeln bis hin zum Korpus des Kontrabasses von Sara Puljula, auf dem er in einem explosiven Solo herumtrommelt, während dessen Besitzerin lachend weiterspielt und Kuusisto sowie Akkordeonistin Anna-Mari Kähärä grinsend zuschauen. So macht Volksmusik Spaß: Nicht in eingekrusteten volkstümelnden Strukturen verharrend, sondern lebendig, frisch, frei. Auch dem Quartett auf der Bühne ist ihre Begeisterung anzumerken, die vom Publikum ohne Einschränkungen geteilt wird. Selbst wenn ein Stück etwas ernster wird, geschieht dies immer mit einem Augenzwinkern. „Wir haben dem Lied ein etwas monotoneres Arrangement gegeben, damit die umschließenden Stücke besser klingen“, erklärt Kuusisto spitzbübisch bei „When my friend left me“. „Deshalb nennen wir es auch den 'Norwegian Song'“. Gespielt von vier Finnen, die vielleicht gerade deswegen das Stück genießen. Und vom Publikum dafür gefeiert werden.

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