Martin Grubinger: Beschwörungsritus mit Schlagwerk-Zauberer

Perkussive Wassertropfen und Gewitterbögen schweben über einem bedrohlich dissonanten Orchester mit teils quietschenden Streichern, die sonst in einem klaustrophobisch engen Tonraum ohne große Melodielinien zu agieren haben. Nein, schön im Sinne einer klassischen harmonischen Ästhetik ist Coriglianos Komposition „Conjurer“, das das Pittsburgh Symphony Orchestra (PSO) unter der expressiven Leitung von Manfred Honeck am Mittwoch im Rahmen des Beethovenfests zusammen mit Schlagwerk-Zauberer Martin Grubinger aufführte, über weite Strecken nicht gerade. Dafür aber ungeheuer intensiv, fesselnd, verzaubernd.

Grubinger und dem PSO (das dieses Werk 2007 uraufgeführt hatte) gelang es eindrucksvoll, eine beinahe mit den Händen greifbare Spannung zu erzeugen, in der jeder unerwartete Schlag wie ein Schock durch den Körper jagte. Der Ausnahme-Percussionist und Stammgast des Beethovenfests genoss diese Macht sichtlich: Breit grinsend und teils wie ein Derwisch zwischen den Instrumenten hin und her jagend lies er mal seine Klöppel in atemberaubenden Tempo über die Klangkörper rasen, nur um kurz darauf ganz sanft Akzente zu setzen. Seine Kadenzen bildeten die Grundlage für das Orchester, Marimbaphon, Glocken und Trommeln beschwörten gewissermaßen die Tonalität herauf. Bis sich dann irgendwann doch eine Melodie herauskristallisierte, ein melancholisches, schwermütiges und leicht zerbrechliches Gebilde, das nach kurzer Zeit wieder auseinanderbrach, während Grubinger von einer der drei Klangstationen (Holz, Metall und Fell) zur nächsten wechselte. Das Publikum goutierte diese Tour de Force mit jubelndem Applaus – und Grubinger dankte ihm und insbesondere Intendantin Ilona Schmiel mit einem putzigen, virtuosen und mit einem Quentchen Wahnsinn versehenen Ragtime-Solo.

War das PSO beim „Conjurer“ noch zum Teil schmückendes Beiwerk, stand es in der zweiten Konzerthälfte im Mittelpunkt. Zwei Werke von Maurice Ravel standen auf dem Programm, die „Rapsodie espagnole“ und der berühmte „Bolero“. Zwei Stücke also, die von einer starken Rhythmik ebenso geprägt sind wie von minimalistischen Motiven und einer klaren Orientierung nach Spanien. Wieder gelang es Dirigent Honeck, trotz der Monotonie der melodischen Wiederholungen eine beeindruckende Spannung aufzubauen. Souverän reichten die einzelnen Instrumentengruppen sowohl das Viertonmotiv aus dem ersten Satz der Rapsodie als auch später das an einen Schlangenbeschwörer erinnernde Thema des „Bolero“ herum, dabei mit klanglichen Mitteln Bilder malend, die zwischen erotisch aufgeladenen Avancen und einer fast schon grotesk überzeichneten Volksfeststimmung changierten. Letztere ließ Honeck gekonnt aufblühen, zeigte sich hier energetisch, während er beim „Bolero“ mit seiner Gradlinigkeit punktete. Konsequent schichtete er die verschiedenen Klangfarben übereinander, ging stoisch vom verletzlich wirkenden Anfang bis zum bewusst im Moment des höchsten Triumphs einstürzenden Finale, bei dem vor allem die Bläser des PSO zu überzeugen wussten. Die Reaktion des Publikums entsprach denn auch der beim „Conjurer“: Lang anhaltender Applaus und stehende Ovationen, auf die das Orchester mit drei Zugaben reagierte.

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