Marc-Uwe Kling: Ohne Känguru ist es nur halb so lustig

Wussten sie, dass im Aachener Dom die Windeln Christi liegen? Und dass diese Tatsache etwas mit dem neuen Programm von Marc-Uwe Kling zu tun hat? Denn, so erklärt der Poetry-Slammer, Känguru-Kenner und Buchautor im ausverkauften Brückenforum den gut 900 Fans, je absurder eine Information, desto leichter lässt sie sich merken. Deshalb gewinnt die Jesu-Pampers auch vor seinem Lendentuch, dem Kleid der Maria und dem Enthauptungstuch Johannes des Täufers, die als Heiligtümer ebenfalls in der alten Kaiserstadt liegen. Und deshalb bleiben auch eher die Ideen des kommunistischen Kängurus hängen, das in Klings Büchern mit diesem in einer Wohngemeinschaft lebt, als die Worte des Erzählers.

„Ich weiß ja, dass ihr nicht wegen mir hier seid – aber könnt ihr das vielleicht etwas weniger offensichtlich kundtun?“, sagt Kling, nachdem er in dem ersten Teil der „Känguru-Offenbarung“, mit der er derzeit auf Lesetour ist, endlich das Beuteltier eingeführt hat und ein Aufatmen durch den Saal gegangen ist. Dabei sollte dies nicht verwundern, drückt der Berliner doch vor allem am Anfang auf die Tränendrüse. „Das Känguru ist weg“, beklagt er, flüchtet sich in Selbstgespräche und verliest Protokolle der Traurigkeit, die in ihrer mikroskopischen Lebensfreude sehr an den dauer-depressiven Nico Semsrott erinnern. Dies kulminiert in mehreren traurigen Liedern, die mit ihrem wehleidigen Jammergesang nur schwer zu ertragen sind. Dann doch lieber das Känguru. Dann passiert wenigstens etwas. Meist etwas Unvorhersehbares.

Tatsächlich hat das offiziell kommunistische, eigentlich aber eher anarchistische Tier einiges vorzuweisen. „Ich war in Tunesien, Libyen, Ägypten, habe ein paar Steine zum Fliegen gebracht“, erzählt es stolz, während es wie gewohnt Klings Leben durcheinander wirbelt. Leider kommen diese Passagen etwas zu kurz, während die musikalischen Versuche Klings einen immer größeren Platz einnehmen. Klavier und Gitarre beherrscht er ja auch einigermaßen, hat stellenweise gar hervorragende Ideen (etwa den „Entertainer“ im Schildkrötentempo zum Trinkvogel-Blues umzuwandeln), die aber an die schriftstellerischen Qualitäten nicht einmal ansatzweise heranreichen. So bleiben die nur mäßig gesungenen Stücke weitgehend belanglos, dienen höchstens als Füllmaterial, damit die Känguru-Fans nicht schon in der Show all das konsumieren, was ihnen bald als (Hör-)buch angeboten werden soll.

Auch auf andere Weise wird das Programm verlängert. So hat Kling aus der von ihm gegründeten „Lesedüne“ kurzerhand einen Vor-Vorleser mitgebracht, einen Anheizer namens Mike Martschinkowski, der seine Sache erfreulich gut macht. Sowohl die fröhliche Zündel-Anleitung im Arbeitsamt als auch der Fantasy-Roman mit Gewürznamen sorgen im Publikum für Begeisterung. Auch wenn kein Känguru drin vorkommt. Aber man kann ja nicht alles haben.

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