Krysztof Penderecki: Kreislauf aus Hoffnung und Grauen

Immer wieder der selbe Ablauf: Aus dem drohenden Marschieren der Celli und Trommeln, dem aggressiven Duktus der Wut erheben sich fast schon sakral klingende Geigen in hoffnungsvoller Harmonie, nur um kurz darauf abzustürzen, zurück in diesen Strudel aus Verzweiflung und Grauen. Bis zur nächsten, noch weiter gesteigerten Auferstehung. Ein eindrucksvolles, ein komplexes, ein schweres Werk, das Krysztof Penderecki unter dem Einfluss des 11. Septembers 2001 aus eigentlich leichten, lebensbejahenden Skizzen schuf. Im Jahr seines 80. Geburtstages dirigierte der „spätmoderne Klassiker“, einer der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts, seine ernste „Resurrection“ für Klavier und Orchester nun im Rahmen des Bonner Beethovenfests in der Beethovenhalle.

Von den früheren experimentellen Tendenzen, die ihn in den 60er und 70er Jahren zu einem der führenden Vertreter der Avantgarde aufsteigen ließen, ist in Pendereckis „Auferstehung“ nur noch wenig zu finden. Klare Strukturen, Rhythmen und Harmonien zeigen ein fast schon traditionelles Muster, auf dem der Maestro seine Klänge aufbaut, symphonische Schrecken hervorruft und ihnen prächtig-grelle Kirchenklänge entgegensetzt. Immer wieder sucht er dabei neue Blickwinkel, immer wieder lässt er musikalisch die Flugzeuge in die Twin Towers krachen, immer wieder deutet er eine potenzielle spirituelle Erlösung für die Opfer an – doch zu einem Abschluss gelangt er nie. Selbst das Ende des gut 40-minütigen Werks bleibt offen, harrt der Wiederholung, auf die Penderecki bewusst verzichtet und so zumindest in dieser Ruhe Frieden gibt.

Die Sinfonia Varsovia unter seiner Leitung setzt das Konzert meisterhaft um, zeigt sich ungeheuer präsent und präzise. Vor allem die Celli und das Englisch Horn spielen auf allerhöchstem Niveau, gleiches gilt für die umfangreiche Percussions-Abteilung. Herausragend auch Pianist Rudolf Buchbinder, der im ständigen Wechselspiel der Führungsrolle zwischen seinem Solo-Instrument und dem Orchester allzeit souverän agiert und die anspruchsvolle Stimme in Perfektion präsentiert. Zu Recht gibt es daher zur Pause großen und langanhaltenden Applaus, auch wenn die Komposition selbst die Geister scheidet, sie für einige zu modern, zu ungewohnt ist.

Kaum Kritik gibt es dagegen an den die „Resurrection“ einrahmenden klassischen, epischen Werken. Schon Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu Salvatore Viganòs Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ ließ kaum Wünsche offen: Aus dem eher gemächlichen Anfang entwickelte sich schnell ein energiegeladenes, heroisches Thema, in dem die Sinfonia Varsovia ihre klangliche Brillanz unter Beweis stellen konnte. Noch weitaus reichhaltiger und opulenter dann Antonín Dvořáks siebte Symphonie, in der an Volkstänze angelehnte leichte, manchmal pastoral wirkende Melodien neben prunkvollen Passagen stehen, in denen der für die Romantik typische Nationalstolz seinen Ausdruck findet. Dabei lebt das Werk von Kontrasten, zeigt etwa melancholische Momente im eigentlich lebendig angelegten Scherzo oder dem großen Finale, wirkt aber dennoch in sich geschlossen, rund und erfreulich kompakt. All dem wird das Orchester ohne weiteres gerecht: Penderecki führt seine Warschauer mit sichtlicher Begeisterung durch die geforderten Dynamiken, wirkt frisch, deutet an einer Stelle gar einen kleinen Luftsprung an. Die Musiker ziehen dementsprechend mit, vor allem die Trompeten und Flöten begeistern. Auch hier am Ende also kräftiger Beifall, Bravo-Rufe und stehende Ovationen, für die sich Penderecki und die Streicher der Sinfonia Varsovia mit einer atemberaubenden Interpretation des zweiten Satzes von Dmitri Schostakowitschs Kammersymphonie bedanken.

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