Heino: Schlager im Zeichen des Totenkopfrings

Vom Publikum wird er gefeiert wie ein Rockstar. Es wird getanzt, gesprungen, gewunken, die Stühle im hinteren Teil des KunstPalasts in den Bonner Rheinauen sind nur Staffage, alle stehen ohnehin, um Heino zu erleben. Heino, den König der Volksmusik – und jetzt eben Heino, den Rocker, der auf seiner CD „Mit freundlichen Grüßen“ (es ist das erste Nummer-Eins-Album in der Karriere des blonden Barden und eines der erfolgreichsten Alben der deutschen Musikgeschichte) deutschsprachige Pop- und Rock-Songs covert.

In nietenbesetztem Ledermantel, einen Totenkopfring an der rechten Hand, stolziert er auf die Bühne und lächelt breit in die Menge. Dazu hat er schließlich allen Grund: Jahrzehntelang galt er als das Feindbild der modernen Musikszene, als Musiker für Senioren, als verstaubtes Relikt einer reaktionären deutschen Spießigkeit, die jungen Generationen einen Schauder nach dem anderen über den Rücken jagen konnte. Und heutzutage? Kann Heino von einem Auftritt in Wacken berichten, dem weltweit größten Heavy-Metal-Festival, wo er vor zehntausenden schwarzgekleideten Rock-Jüngern mit Rammstein deren Hit „Sonne“ gespielt hat – und dafür frenetisch gefeiert wurde. Welcher andere Vertreter der Volksmusik kann das schon von sich behaupten?

Auch im KunstPalast scheint der Kult um den „neuen“ Heino zu funktionieren. Das Zelt ist mit gut 700 Leuten zwar nur mäßig gefüllt, die Stimmung jedoch hervorragend. Viele junge Leute sind da, dafür kaum Vertreter jener silberhaarigen Altersklasse, die man sonst auf einem Heino-Konzert erwarten würde. Vielleicht ist ihnen die Volte des 75-Jährigen suspekt, der sein Konzert mit „Junge“ von den Ärzten eröffnet. „Und wie du wieder aussiehst“ – Heino bezieht diese Zeile ganz bewusst auf sich und seine Lederkluft. Und zuckt mit den Schultern. Er kann nur gewinnen. Neue, euphorische Fans nämlich, die vor der Bühne stehen, lautstark seinen Namen rufen und unbeirrt sämtliche Lieder mitsingen. „Augen auf“ von Oomph!, „Haus am See“ von Peter Fox, „Was soll das“ von Herbert Grönemeyer. Die exzellente Band sorgt mit kräftigen E-Gitarren, fetten Bläsern und drei Backgroundsängern für einen hervorragenden Sound – und Heino trällert mit seiner sonoren Stimme die Texte ungeniert ins Mikro, irgendwo zwischen Rock und Schlager changierend, immer sauber, immer perfekt intoniert. Manchmal zu perfekt: Der Grönemeyer-Schnodder-Charme fehlt, ebenso wie die aggressiv-bedrohliche Ausstrahlung von Oomph!-Sänger Dero Goi. Besser wirkt da schon der besagte Rammstein-Titel „Sonne“ mit dem schön gerollten R – oder Westernhagens „Willenlos“, das Heino augenzwinkernd seiner Frau Hannelore widmet.

Trotz der scheinbaren Neuausrichtung verleugnet Heino seine Wurzeln nicht: die Wodkablütige Katja wird ebenso besungen wie die (immerhin inzwischen geswingte) schwarzbraune Haselnuss und die schöne Welt. „Diese Lieder haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin – euer Heino“, sagt er. Und reiht im zweiten Teil des etwa 90-minütigen Konzerts tatsächlich einen Klassiker an den nächsten, trennt die Rock- und die Schlager-Nummern dadurch etwas zu stark. Nur „Kompliment“ von Sportfreunde Stiller ragt musikalisch etwas heraus – Nenas „Ich geh mit dir wohin du willst“ klingt dagegen schon fast nach einer Heino-Originalkomposition. Dem Publikum ist es egal: Es fordert am Ende natürlich ihre Zugaben ein. Und erhält noch mehr Schlager. Das Rock-Image hat als Publikumsmagnet ausgedient. Heino tauscht die Lederjacke gegen ein rotes Sakko und harte Eckstein-Abzählreime gegen Enzian-Hymnen und „Karamba-Karacho“-Schunkelalarm. Eigentlich schade. Ja, die Stimmung ist noch da. Doch die Faszination vom Anfang des Konzerts, der Reiz des Neuen, Frischen, Frechen – der ist leider verschwunden.

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