„Fidelio“: Zu reduziert für echten Genuss

Acht Jahre ist es her, dass beim Bonner Beethovenfest zuletzt der „Fidelio“ erklang, die einzige Oper des berühmtesten Sohnes der Stadt. Damals sorgte Günter Krämers Inszenierung für teils wütende Proteste – jetzt blieb die Inszenierung kurzerhand außen vor. In der halb-szenischen Aufführung der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Paavo Järvi waren Gestik und Mimik irrelevant, das Auge blickte enttäuscht auf eine Wand schwarz gewandeter Gestalten. Stattdessen standen die Musik und die ihrerseits umstrittenen Zwischentexte von Walter Jens im Mittelpunkt. Offenbar eine vernünftige Herangehensweise: Das Publikum spendete großzügigen Applaus, sah keinen Anlass für derartige Buh-Rufe wie 2005. Und das, obwohl längst nicht alles ohne Fehl und Tadel war.

Größtes Problem der Aufführung war die Beethovenhalle, die bei der Premiere am vergangenen Freitag all ihre Schwächen offenbarte. In der ohnehin oft unglücklichen Akustik waren vor allem die Frauenstimmen mitunter nicht zu hören, die sich vom exzellent spielenden Orchester nicht angemessen abheben konnten und sich in den Streichern verloren. Cécile Perrin als Leonore, die kurzfristig für die erkrankte Emily Magee einsprang, konnte dies noch am ehesten kompensieren, wirkte allerdings vor allem bei den abrupten Abwärtssprüngen ins Piano zu unausgeglichen, zu verhalten. Andererseits hatte sie auch einige der schwierigsten Passagen zu singen, was der erfahrenen Sopranistin im Großen und Ganzen prominent gelang. Dafür entzündete sich an ihr weitere Kritik: Ausgerechnet sie, die als Fidelio verkleidet sowohl den Kerkerwächter Rocco (exzellent: Dmitri Ivashchenko), den Torwächter Jaquino (Julian Prégardien) als auch die schöne Marzelline (Mojca Erdmann) zu täuschen vermochte, stand in einer ausladenden Robe auf der engen, für diese Art von Aufführung schlecht ausgeleuchteten Bühne. Ja, halb-szenisch – aber muss das denn wirklich den vollkommenen Verzicht auf Licht, Kostüme und Requisiten bedeuten? So wirkte es absurd, als etwa im zweiten Akt der Gefangene Florestan (Burkhard Fitz) mit Blick auf die weiblichen Formen Perrins sang „Bewegt seh ich den Jüngling hier“. Zumindest in dieser Hinsicht hatte Krämer, der bewusst auf Verkleidungen verzichtend die schauspielerische Fidelio-Rolle von der Arien trällernden Leonore entkoppelte, einen weitaus sinnvolleren Ansatz gewählt.

Immerhin geschah genau dies bei der Figur des Rocco, der in den Rezitativen die Geschehnisse in dem spanischen Gefängnis rückblickend Revue passieren ließ, sie kommentierte und seine Fehler eingestand. Diesen Part hatte Ulrich Tukur übernommen: Eine hervorragende Wahl. Energisch deklamierend, mal zornig und mal nachdenklich vom Blatte ablesend sorgte er für die aufregendsten Momente. Und die amüsantesten: Als etwa während der Ankündigung von Don Pizarros Kommen im Publikum ein Handy klingelte, nahm Tukur dies kurzerhand auf. „Da ruft er an“, kommentierte er genüsslich – und wich dann in den Hintergrund zurück, als der Antagonist der Handlung, von Evgeny Nikitin mit kraftvollem Bassbariton und eindrucksvoller Mimik souverän gespielt, tatsächlich auf der Bühne erschien und seine Ränke gegen Florestan schmiedete, bis er von Leonore und Rocco gebremst und durch das Erscheinen von Don Fernando (ein blasser Detlef Roth in einer undankbaren Partie) endgültig schachmatt gesetzt wurde. Herausragend übrigens auch der mehrfach auftretende Deutsche Kammerchor, der den Gefangenen starke Stimmen verlieh. Wenn jetzt noch das Ambiente gepasst hätte...

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