Santana: Jam-Vergnügen mit Zitateschlacht

Eigentlich ist jeder seiner Songs einer von Licht und Liebe: „Fühle das Licht in deinem Herzen“, sagt Santana im Vorfeld zu Marvin Gayes „Right On“, „dann wirst du Wunder bewirken können.“ Eine Erleuchtung, die der Meister selbst schon seit Betreten der Bühne auf dem KunstRasen ausstrahlt. Gut gelaunt geben der 65-Jährige und seine Santana Blues Band bei dem ersten von nur zwei Deutschlandkonzerten von der ersten Sekunde an Gas, zaubern treibende lateinamerikanische Rhythmen und opulente Instrumentalparts aus dem Hut – und einen Hit nach dem anderen.

„Black Magic Woman“ und „Oye como va“ erklingen gleich am Anfang, Raum lassend für die ersten musikalischen Experimente, für Drum- und Percussion-Soli und für grandiose Einwürfe des hochkonzentrierten Santana. Ab und zu dürfen auch mal die beiden Sänger Andy Vargas und Tony Lindsay ran, doch um Texte geht es bei einem Santana-Konzert nur in untergeordnetem Maße. Es ist das Zwischenspiel, das jedes Stück zu einem Unikat macht. So widmet Santana sein „Maria Maria“ allen Frauen auf dem KunstRasen – aber nicht etwa die bereits tausend Mal gehörte, fast schon ausgeleierte Radioversion, sondern eine frische, ausufernde Fassung.

„Wollt ihr, dass ich einen Song jamme?“, fragt Santana irgendwann. Natürlich! Völlige Freiheit für den  mexikanische Gitarrengott. Und je weiter das Konzert voranschreitet, um so mehr nutzt er dies aus. Bei „Corazón Espinado“ schöpft er aus seinem übervollen Zitate-Kästchen, spielt mal ein paar Takte aus Griegs „Halle des Bergkönigs“ oder ein kleines Motiv von Erik Satie, wandert dann zum Blues, nur um schließlich schwungvoll und elegant wieder im Latin-Rock zu landen. Am Ende des opulenten Improvisationsteils geht es dann sogar noch in ein „Happy Birthday“ für ein Tour-Mitglied, dem die ganze Band ein Ständchen samt Kuchen, Blumen und Geschenk darbietet. Schöne Geste.

Jetzt ist der Bogen geschlagen zu „Right On“, jetzt predigt Santana von universeller Liebe. Er scheint mit sich selbst im Reinen: „Lord, Lord, Lord, thank you for that beautiful day“, heißt es irgendwann. Dem kann sich das Publikum nur anschließen. Und das, obwohl das Konzert noch längst nicht zu Ende ist. Ganz im Gegenteil: Jetzt wird es erst so richtig spannend. Santana geht weit zurück, in die 70er Jahre, als er mit John McLaughlin und dessen Mahavishnu Orchestra dem legendären Coltrane-Album „A love supreme“ Tribut zollte. Jazz, Latin und Rock als Einheit. Meisterhaft. So wie auch die Zugabe nach einem umjubelten, mit einem langen Solo-Part verzierten „Smooth“: Wieder beginnt Santana die Zitateschlacht, wirbelt Peggy Lees „Taste of Honey“ in völlig neue Sphären, greift auf den „Pink Panther“ und die „Ghost Riders in the Sky“ zurück. Und die Band? Macht voller Elan mit. Co-Gitarrist Tommy Anthony darf sich sogar an „The Police“ versuchen, und auch wenn er längst nicht in die stimmlichen Höhen von Sting aufsteigen kann (was er gar nicht erst versucht), sind seine „Spirits in the material world“ doch eine wunderbare Bereicherung für das große Abschluss-Medley.

Zwei Stunden lang schafft Carlos Santana ein Konzert der Superlative. Zuvor hatte schon Gary Clark Jr. mit einer Mischung aus erstklassig gespieltem Blues und klassischem Rock für Begeisterung gesorgt, auch wenn der manchmal bemühte Vergleich mit Jimi Hendrix zumindest in Bonn etwas weit hergeholt scheint. Egal: Das Publikum war auf jeden Fall restlos begeistert. Selbst die lange Warteschlange am Eingang, die bei Konzertbeginn für Unmut sorgte, dürfte damit vergessen sein. Licht und Liebe statt Wut und Aggression: Dafür hat Santana gesorgt.

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