Liedfett: Punkophonie ohne ausreichende Differenzierung

Jetzt aber Tempo! Phillipp Pöhner jagt über Cajón und Becken, Gitarrist Lukas Uecker schrammelt fleißig seine Akkorde und Sänger Daniel Michel röhrt die Liedfett-Texte ins Mikrofon. Irgendwie muss das Liedermacher-Trio ja die halbstündige Verspätung wieder reinholen, mit denen ihr Konzert im Pantheon-Casino begonnen hat. Andererseits: Bei den Hamburgern ist das durchgetretene Gaspedal normal. Langsame, besinnliche, ruhige Stücke, die viele andere Liedermacher dazu nutzen, um feinsinnige Texte und filigrane Melodien zu verweben, sind nichts für die Band, die 2011 mit dem Sieg des „Hamburg rockt“-Wettbewerbs ihren Durchbruch feiern konnten.

Liedfett lässt stattdessen in jedem Moment ihre Punk-Wurzeln erkennen. Musikalisch ebenso wie textlich. Gut, längst nicht jedes Lied hat so drastische Zeilen wie „Du bist Deutschland“ mit seinen übertrieben provokanten Aggro-Platitüden („Du stinkst wie Katzenpisse auf ner halbverwesten Leiche“), der rebellische Grundtenor zieht sich aber mit Sauf-Lobhudeleien und ähnlichem durch das Programm. „Liedermaching Untergrund“ nennen die drei das – der gleichnamige Song, als Musikvideo eine nette Akustik-Pop-Nummer, wird auf dem Konzert denn auch gleich zur Hymne, bei der die rund 60 Zuschauer, zu denen auch Liedermacher-Papst Götz Widmann zählt, begeistert mitsingen und auf und ab hüpfen. Punk eben.

Dabei haben die drei mehr zu bieten. Etwa das wunderbare „Gaukler“, das melancholische „Siehst du mich“ oder das bissige „Kater“. Leider verpasst es Liedfett aber in den meisten Fällen, den Abwechslungsreichtum ihrer CDs live entsprechend umzusetzen. Zu ähnlich klingen die einzelnen Lieder, zu undifferenziert gehen die drei zu Werke. Selbst wenn es ruhiger werden soll, hämmert Phillipp Pöhner irgendwann wieder dazwischen oder verabschiedet sich Daniel Michel vom eindringlich-rauhen Gesang und tendiert mehr in Richtung Gegröhle. Vielleicht fehlt es einfach an der nötigen Konzentration oder im Falle von Michel, der sich trotz Kreislaufproblemen mit einem Rotwein auf Touren bringt, an der nötigen Fitness nach einer längeren Krankheitsphase. Auf jeden Fall ist die beträchtliche Diskrepanz zwischen Studioalbum und Live-Auftritt auffällig und irgendwie auch bedauerlich. Allerdings tut dies der Stimmung keinen Abbruch, ganz im Gegenteil: Jeder neue Song heizt die Fans noch weiter an, die Party läuft. Irgendwas müssen die Hamburger wohl doch richtig machen. 

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