Konrad Beikircher: Leinwandhochzeit mit der rheinischen Bühne

Ausnahmen bestätigen die Regel. So wie Konrad Beikircher, der zwar nicht als Rheinländer geboren wurde, aber dank des Studiums in Bonn zu einem solchen Exemplar mutierte beziehungsweise transzendierte und heute einer der Vorzeige-Missionare von kölscher Sprache und Lebensart ist. Seit 35 Jahren steht der Kabarettist und Musiker nun schon in dieser Funktion auf der Bühne. Wenn eine Ehe so lange hält, spricht man von der Leinwandhochzeit, und da das so ein schöner Begriff ist, hat der Beikircher ausnahmsweise beschlossen, dieses Jubiläum auch mit einem entsprechenden Programm zu feiern.

Im Haus der Springmaus zog er dafür zahlreiche Verzällchen und Anekdötchen aus dem Hut, gab nuschelnd und raunzend das Wienerlied „Mein Feuerzeug“ zum Besten, das er schon bei seinem ersten Auftritt am 28. März 1978 in der Bonner Jazz-Galerie sang, und ließ ansonsten Missgeschicke, Erfolge und andere Erlebnisse Revue passieren, bei denen er regelmäßig von seinen Hauptgeschichten abwich, um dem geneigten Publikum einige Dinge genauer zu erläutern.

Beikirchers Erzählungen erinnerten durch ihre zahlreichen Abschweifungen strukturell an Matrjoschka-Puppen: Eine öffnete sich in die andere und die wiederum in eine dritte, die dann nach einer guten Viertelstunde endlich abgeschlossen werden konnte, um zur eigentlichen Fußnote der Geschichte zurückkehren zu können. „Wo sie grad sagen“, legte er los, kam von einem Auftritt in Mönchengladbach zu einem Provisorium, Stehtischen und Prosecco im Liegen oder fühlte sich genötigt, von einem Osteressen am Rolandsbogen erst zu der dazugehörigen Sage zu wechseln, die Beikircher in seiner gewohnt lustigen, nicht immer ganz ernst zu nehmenden und in ganz seltenen Fällen an der Grenze zur Albernheit residierenden Art präsentierte. Dazwischen immer wieder Erklärungen rheinländischer Gepflogenheiten und Zitate, in denen er die Rheinländer als Chromosomalkatholiken („Lassen Sie mich nicht lügen“) und Tischrundensprengmeister entlarvte oder sich kopfschüttelnd über so manche Verordnung der Bonner Stadtverwaltung ausließ. „Wir kennen unsere Stadt. Wir lieben sie trotzdem, aber manchmal fällt es uns schwer“, kommentierte er einmal trocken. Ein Satz, der nicht nur lokal beschränkt sein muss...

Über den kölschen Dialekt hinaus hat Beikircher sich immer für Sprache, Sprachklänge, Sprachmusik begeistert. Diese Leidenschaft fing natürlich auch in der Springmaus Feuer. Zum Glück. Nur wenige schaffen es, eine halbe Stunde über ein Ei zu reden – Beikircher hätte dies ohne weiteres doppelt so lange durchgehalten, ohne dabei auch nur eine Sekunde langweilig zu wirken. Genüsslich kegelte er dieses kleine konsonantenfreie Substantiv durch die deutsche Sprachlandschaft, demonstrierte damit den hanseatischen Anknack-Apostrophen (samt semi-anatomischem Hintergrund), verordnete das Wortzentrum der Hessen im vorderen linken Nasenflügel und ließ den Schwaben eben jenes Hühnerprodukt halten wie ein unschuldiges Pelztierchen. Herrlich, nicht nur für Linguisten. So erhielt der Jubilar denn auch tosenden und lange anhaltenden Applaus vom gesamten Saal.

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