Da tanzen sie im Sonnenschein: Männer in papageienfarbenenen Kostümen und Frauen mit Blumen im Haar, Riesen-Sonnenbrillen auf den Nasen, allesamt bestens versorgt mit Bier, Cocktails und guter Laune, einem Mann mit hervorquellendem Brusthaartoupet zujubelnd, der gerade über einen kleinen zusätzlich installierten Laufsteg von der Bühne des KunstRasens aus in Richtung Menge schreitet, ein goldenes Mikrofon in der Hand hält und nach der Zeit fragt. „Sag mir quando, sag mir wann“, singt Dieter Thomas Kuhn – und die heimliche Antwort lautet „Sofort“. Schließlich hat das Wiedersehen mit den Bonner Fans gerade erst begonnen, die Schlager-Party steht noch ganz am Anfang. Bis zur Aftershow-Party und dem angekündigten Nachtnacktbad im Rhein muss einiges geschehen. Immerhin: Band und Besucher sind gleichermaßen willig.
„Es ist schön zu sehen, dass unser Publikum noch nicht sitzen will“, sagt Kuhn lachend mit Blick auf die nahezu vollständig verwaiste Seitentribüne. Die Freude ist verständlich, immerhin steht
„die singende Föhnwelle“ seit mehr als 20 Jahren auf der Bühne – bei anderen Musikern wären die Stühle inzwischen gut gefüllt. Auch Kuhns Fans sind zum Teil mit ihm gealtert, bringen inzwischen
schon ihre Kinder und Enkel zu den Kult-Konzerten. Tanzen wollen aber alle Generationen. Und so legt Kuhn im weißen Bee-Gees-Glitzerdress los, schmettert einen Hit nach dem nächsten in die
jubelnde Menge und genießt die Euphorie, die ihm entgegenschlägt. „Schön ist es auf der Welt zu sein“, heißt es dann, unter anderem sorgen „Griechischer Wein“ und „eine neue Liebe“ für dieses
Gefühl. In wahnwitziger Geschwindigkeit jagt ein Lied das nächste, die DTK-Kapelle arbeitet sich mit dem bewährten schmissigen Standard-Sound durch das Repertoire, und der Meister selbst hat,
irgendwie zwischen augenzwinkernd und zutiefst realistisch changierend, für jeden Titel ein paar schmalzig-pathetische Worte übrig, so wie es sich für den klassischen Schlager gehört. Dann
schnell die bekannten Zeilen gesungen, und weiter geht’s im Sauseschritt. Raum für Soli oder gar extravagante Experimente ist mit Ausnahme des Kraftwerk-Covers „Das Model“ (tolle Idee: Die
altehrwürdige Elektro-Nummer im Ska-Gewand) nicht vorhanden und scheinbar auch nicht erwünscht – das Publikum fordert schließlich all die fröhlichen Mitsing-Nummern der 70er Jahre ein. So viele
Schlager und so wenig Zeit.
A propos Mitsingen: Das ist natürlich Pflicht und Ehrensache zugleich. Die Texte kennt jeder der gut 3000 Besucher, was sie immer wieder unter Beweis stellen. Teilweise sogar so dominierend, dass
Dieter Thomas Kuhn und seine Band nur schweigend zuhören können. Kein Klassiker bleibt außen vor, die kleine Kneipe wird ebenso bedacht wie die sieben Brücken, die Fiesta Mexicana oder ein
Mongolen-Fürst. Auch Kuhns Lieblingslied darf nicht fehlen: „Es war Sommer“. „Als ich 16 wurde, wünschte ich mir auch eine Frau, die doppelt so alt war wie ich. Jetzt wünsche ich mir eine, die
halb so alt ist“, scherzt der Sänger. Am Ende kriegt er acht. Bei „Ti amo“ dürfen die Auserwählten eine nach dem anderen auf die Bühne, um sich für ein paar Sekunden in Kuhns Armen zu räkeln,
bevor sie von der jeweiligen Nachfolgerin verdrängt werden. Eine ziemlich konstruierte, abstrus wirkende Situation. Aber Spontaneität – die Zeiten sind vorbei. Auch bei den Fans: Im Gegensatz zu
früher fliegt auf dem KunstRasen kein einziger BH auf die Bühne. So bleibt es bei Sonnenblumen für Dieter Thomas Kuhn. Und einem Riesen-Applaus.
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