Da sind sie endlich, die legendären Power-Chords von „Smoke on the Water“. Fast sieben Stunden haben manche Fans auf diesen Moment hingefiebert, auf diesen Höhepunkt eines krachend harten Nachmittags und Abends voller exzellentem Rock in all seinen Facetten. Jetzt leitet Steve Morse mit dem berühmten Blackmore-Intro einen 40 Jahre alten und dennoch taufrisch klingenden Klassiker ein, dann folgen Don Airey am Keyboard, der Roger Glover vertretende Ex-Jamiroquai-Bassist Nick Fyffe, der schon 2011 mehrere Konzerte in dieser Formation gespielt hat, und natürlich der schier unverwüstliche Ian Paice an den Drums. Ganz zum Schluss noch Ian Gillan, der aber zumindest den Refrain vertrauensvoll dem Publikum überlässt. Deep Purple Mk VIII.5 legt los. Und die Fans toben.
Es wurde aber auch Zeit für ein bisschen mehr Begeisterung. Denn die Songs des neuen Albums „Now what?!“ haben die Fans zwar kräftig beklatscht, das Verlangen nach den alten Hits behinderte aber
größeren Enthusiasmus. Dieser zwiespältige Schatten der großen Vergangenheit: Stände nicht Deep Purple auf der Bühne, wären manche gar nicht erst gekommen, um dann teils wehmütig an frühere
Zeiten zurückzudenken. Dabei bewies die Band eine große Spielfreude und eine Qualität, von der andere Gruppen nur träumen können. So legte der überragende Steve Morse immer wieder spektakuläre
und ausufernde Soli aufs Parkett, während Urgestein Paice sich mit Wonne die Seele aus dem Leib trommelte. Nur bedingt zu überzeugen wusste dagegen Don Airey, der in seiner eigenen Solo-Nummer
Beethoven- und Mozart-Motive aneinander reihte, diese aber sehr klassisch hielt und dafür einfach nicht differenziert genug spielte. Dennoch erhielt er tosenden Applaus. Vielleicht ahnten die
Fans auch, dass nun vermehrt die begehrten Klassiker kommen würden, nachdem zuvor zwischen dem eröffnenden „Fireball“ und dem bluesigen „Lazy“ öfters mal die Spannung verloren ging. Nun immerhin
„Perfect Strangers“, dann eine verhältnismäßig kurze Version von „Space Truckin'“, hinterher noch „Hush“ und „Black Night“. Und eben „Smoke on the Water“, bei dem die Rock-Heroen einem externen
Musiker den Ritterschlag verliehen: Der Gitarrist der zuvor aufgetretenen Bluesrock-Band Gov't Mule, Warren Haynes, der zunächst nur für ein kleines Duett mit Morse auf die Bühne gerufen wurde,
blieb einfach auf selbiger und durfte bei dem Superhit schließlich sogar ein kleines feines Solo beisteuern. Eine Verbeugung vor Haynes und seinem Quartett, das Ian Gillan schon zuvor als
fantastisch bezeichnete.
Stimmte auch: Die ausgefeilten und vor allem ausgedehnten Nummern, in denen sich der ehemalige Allman-Brothers-Gitarrist immer wieder austobte, brachte die sich zu diesem Zeitpunkt schon
angesammelte Menge in die richtige Stimmung für Deep Purple. Ein kraftvoller Sound, generiert von hammerharten Drums, einem vielseitigen Keyboard und einem omnipräsenten Bass, dazu Top-Gitarrist
Haynes – diese Mischung war nicht nur für Deep Purple eine Rock-Offenbarung. Schwieriger hatten es da die beiden anderen Bands, die seit 15 Uhr den KunstRasen rockten: Bei Triggerfinger fanden
sich vielleicht 1500 Zuschauer ein, was für ein Trio, das kurz zuvor noch ein Konzert der Rolling Stones im Hyde Park eröffnet hat und im vergangenen Jahr mit der Cover-Version von „I follow
rivers“ immerhin in den Top 10 waren, eher enttäuschend gewesen sein dürfte. Doch der belgische Power-Rock lockte einen Vierteltag vor „Smoke on the Water“ erst nach und nach mehr Menschen auf
das Gelände, die dann bei der epischen, symphonischen und an Pink Floyd erinnernden Musik von Crippled Black Phoenix zwischen bombastischen Spitzen mit teils übermäßig langen wiederholenden
Patterns Vorlieb nehmen mussten. Bis der nächste Höhepunkt kam.
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