„Carmina Burana“: Die Szenerie ging unter

Carl Orffs berühmte „Carmina Burana“ mit dem wuchtigen „O Fortuna“ gehört mit Sicherheit zu den beliebtesten Chor- und Orchesterwerken der westlichen Welt. Gerne wird dabei allerdings ignoriert, dass das Werk eigentlich als szenische Kantate komponiert wurde. Die Staatsoper Plovdiv hat nun auf dem KunstRasen mit diesem Missstand aufgeräumen und mit rund 120 Mitwirkenden Orffs Vertonung von Lied- und Dramentexten aus dem 11. und 12. Jahrhundert  als farbgewaltiges, idealisiertes Mittelalterspektakel inszenieren wollen. So weit die Ankündigung. Das Ergebnis blieb allerdings aufgrund einer sub-optimalen Akustik, nicht immer überzeugenden Solisten und einem recht kleinteiligen Schauspiel etwas hinter den Erwartungen zurück.

Der Unmut offenbarte sich allerdings schon vor den ersten orffschen Klängen: Aus organisatorischen Gründen hatten die Veranstalter die Bestuhlung auf dem KunstRasen geändert, was dazu führte, dass einige auf den Eintrittskarten angegebene Sitzplätze nicht mehr existierten und viele Gäste noch während der ersten Konzerthälfte verzweifelt nach ihren Stühlen suchten. Diese sorgte für weitere Irritationen: Um das Programm zu strecken (die „Carmina Burana“ selbst dauert etwa eine Stunde), hatten die Plovdiver ein Ouvertüren- und Arien-Programm an den Anfang gestellt, von dem die meisten Besucher überrascht wurden. Deswegen waren sie nicht gekommen! Zu Recht: Die fast ausschließlich aus Nabucco- und La-Traviata-Stücken bestehende Dreiviertelstunde war konservativ und spannungsarm, die Solisten offenbarten zudem immer wieder Schwächen. Auch der aus den zwei Boxenanlagen kommende Sound wirkte fade und eindimensional, vom Live-Charakter blieb nicht viel übrig.

Dann aber endlich die „Carmina Burana“. Vor dem Schicksalsrad der unbeständigen „Fortuna Imperatix Mundi“ (Fortuna, Kaiserin der Welt) entfaltete sich das dreiteilige Werk über das Erwachen des Frühlings, das opulente Gelage und das Liebeswerben. Die lateinischen und mittelhochdeutschen Texte, die Orff aus den Handschriften des Klosters Benediktbeuern entnommen hatte, schmetterte der in semi-mittelalterliche Gewänder gekleidete Chor ins Zwielicht hinaus, sich ganz auf die archaische Kraft der Melodien verlassend. Was auch funktionierte: Die vielleicht 40 Sängerinnen und Sänger harmonierten mit dem Orchester, waren lediglich in einer a-capella-Passage etwas kraftlos und konnten ansonsten überzeugen. Auch die Solisten erschienen stärker: Tenor Stoyan Daskalov und vor allem die gegen Ende immer souveräner auftretende Sopranistin Andrea Hörkens zeigten sich in guter Form, lediglich Bariton Aleksander Krunev wirkte in den Tiefen etwas schwach. Enttäuschend allerdings die groß beworbene szenische Darstellung: Auf der durch Orchester und Chor beschränkten Bühne gingen die ohnehin sparsamen Aktionen der acht Darsteller beinahe völlig unter. Kargheit statt Opulenz.

Dennoch gelang es der „Carmina Burana“ durch ihre kompositorischen Qualitäten, einen soliden Chor und ein sich den Gegebenheiten etwas anpassendes Orchester, die Besucher letztlich zufriedenzustellen. Die Schnitzer vom Anfang waren vergessen: Nach dem pünktlich um 22 Uhr erklingenden Schlusston gab es freundlichen Applaus und gelegentliche Bravo-Rufe.

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