Crosby, Stills & Nash: Folkig-psychedelische Harmonie-Kathedrale

Sie können es noch. Was nicht selbstverständlich ist nach zahlreichen Trennungen und Wiedervereinigungen in den vergangenen vier Jahrzehnten, nach Drogen- und Alkoholexzessen von einem der drei, nach Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts. Doch was Crosby, Stills & Nash an diesem Montag auf dem Bonner KunstRasen präsentieren, ist in weiten Teilen schlichtweg beeindruckend: Grandios-sauberer Harmoniegesang in psychedelischen Rock-Nummern und eleganten Folk-Balladen, brillante Gitarren-Soli – und neue Songs, von denen einige sogar nahtlos an die größten Hits der Supergroup anknüpfen können, mit kritischen, politischen Texten und druckvollen Klängen.

Es ist jene legendäre Mischung, mit der CSN eine ganze Ära geprägt hat, auf der heutzutage Bands wie Mumford & Sons ebenso aufbauen wie die Fleet Foxes und Of Monsters And Men – und die in den besten Momenten noch so frisch wirkt wie damals, als sich die Ex-Mitglieder von The Byrds (Crosby), The Hollies (Nash) und Buffalo Springfield (Stills) zum ersten Mal, angeblich auf der Couch von Mama Cass Elliot, zusammengetan haben.

Zugegeben, das klappt nicht immer. Vor allem Stephen Stills, der häufig abseits steht, Distanz zu seinen Band-Kollegen zu halten scheint, ist stimmlich nicht ganz auf der Höhe. Für den berühmten Dreiergesang reicht es, zum Alleingang nicht so ganz, sieht man einmal von dem herrlich gerockten „Love the One you're with“ ab. Doch meistens lässt der Saitenzauberer ohnehin seine Gitarre singen, ergibt sich in kraftvoll-furiosen Soli, die einen schönen Gegensatz zu dem oft sakral anmutenden Gesang von David Crosby und Graham Nash bilden und zumindest in Bonn den immer mal wieder dazugehörenden Neil Young nicht wirklich vermissen lassen. Der langmähnige Crosby („Almost cut my hair“ singt er gegen Ende des Konzerts in schmissig-rockigem Stil) gibt dagegen den coolen Alt-Hippie mit dem vom Leben gezeichneten, angerauten Organ, während Nash wandlungsfähig bleibt, zielsicher die richtigen Harmonien einstreut und ansonsten weiterhin gerne den moralischen Zeigefinger hebt. Songs werden zu Predigten, etwa das musikalisch dröge „In your Name“, das eindrucksvolle a-capella-Ministück „What are their Names“ und die energetisch-bombastische Neukomposition „Burning for the Buddha“ über die Selbstentzündung tibetanischer Mönche als Protest gegen die chinesische Besatzung.

Überhaupt haben CSN einige neue Stücke im Programm – genauer gesagt Crosby und Nash, Stills zieht sich bei den meisten dieser Songs in den Hintergrund zurück. Vielleicht ist deshalb „Time I have“ nicht ganz rund, wirkt zu träge, während „Exit Zero“, bei dem Stills wieder in die Saiten haut, sofort ankommt. Doch für die größte Begeisterung sorgen natürlich die großen Hits: Das vom jubelnden Publikum sehnsüchtig erwartete „Chicago“ beendet die erste Hälfte, die mit „Carry On“ und dem „Marakesh Express“ eröffnet wurde. Davor erklang gar das hochkomplexe „Deja vu“, bei dem nicht zuletzt der exzellenten Band ein wenig Raum für ein paar Soli eingeräumt wurde, was vor allem David Crosbys Sohn James Raymond am Klavier zu nutzen weiß. Im zweiten Set steht dann, vor „Almost cut my hair“ und „Love the One you're with, das epische „Cathedral“, jener psychedelisch angehauchte Hymnus mit dem Tasten-Triple (Organist Todd Caldwell, Crosby-Sohn James Raymond und Graham Nash), der in einer Art Walkürenritt endet. Schließlich „Wooden Ships“, bei dem alle noch mal ihr Können unter Beweis stellen können, auch die Mistreiter an Gitarre, Schlagzeug und Bass: Shane Fontayne, Steve DiStanislao und Kevin McCormick. Und zu guter Letzt Stephen Stills' Suite für Judy Collins – der Auftakt ihres Auftritts beim Woodstock-Festival beendet ein KunstRasen-Konzert, auf dem Musikgeschichte fühlbar war. CSN kann es eben wirklich noch.

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