BAP: Dylan op kölsch

Allzu viel Tradition hat die Bühne des KunstRasens ja noch nicht aufzuweisen – für Wolfgang Niedecken dürfte sie dennoch etwas besonderes sein. Im vergangenen Jahr spielte hier sein großes Idol Bob Dylan, am vergangenen Montag dann Crosby, Stills & Nash, deren Song „Cowgirl in the Sand“ die Inspiration für den allerersten BAP-Song war. Jetzt stehen die Kölschrocker selbst auf der Bühne und begeistern mal locker doppelt so viele Fans wie die Superstars von CSN. Und genau so viele wie Dylan.

Selbst Petrus scheint BAP zu lieben, schiebt die dunklen Wolken beiseite, die am Nachmittag noch kräftigen Regen gebracht und für einige große Matschpfützen auf dem Platz gesorgt haben, und lässt die Sonne durch. Kein Wunder also, dass Niedecken zufrieden ist: „Schön habt ihr's hier“, ruft er der Menge zu. Und legt samt Band in bester Kölschrock-Manier los. Der typische BAP-Sound, seit Jahren weitgehend unverändert, erdig und schnörkellos, schallt über den KunstRasen – und die Menschen beginnen automatisch zu tanzen, zu klatschen, zu singen.

Alte Schätze und relativ neue Perlen (vom inzwischen auch schon zwei Jahre alten Album „Halv su wild“) haben BAP in ihr „Extratour“-Programm gesteckt. Gleich am Anfang gibt es „Ne schöne Jrooß“ aus den frühen 80ern, dann einen stetigen Wechsel zwischen Klassikern und Liedern, die das noch werden wollen. Erklären muss Niedecken dabei nicht viel: „Ihr sprecht ja alle die Weltsprache“, sagt er erfreut. Keine Übersetzungshilfen nötig. Schön. Ein Lob von mehreren, dass der Sänger, der sich nach seinem Schlaganfall im November 2011 vollständig erholt zu haben scheint, ans Publikum verteilt. Auch von den Sangeskünsten der Masse ist er angetan, die bei Hits wie „Aff un zo“ fröhlich einstimmt. Und bei „Verdamp lang her“, dem BAP-Lied schlechthin.

Natürlich lässt Niedecken es sich nicht nehmen, seinen musikalischen Vorbildern zu huldigen: Den Rolling Stones etwa (mit „Dreidüüvelsname“, der kölschen Antwort auf „Sympathy for the Devil“), vor allem aber Bob Dylan. Gleich zwei Songs des Meisters hat er im Gepäck, schon vor Jahren mit neuen Texten versehen – doch die Originalhandschrift ist unverkennbar. Bei dem herrlichen Blues „Leopardefellhoot“ kann Gitarrist Helmut  Krumminga einmal mehr seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, das noch viel beeindruckendere „Vill passiert sickher“, eine Version von „My back pages“, interpretiert Niedecken dann souverän mit der alleinigen Unterstützung der langjährigen Gastgeigerin Anne de Wolff.

Fast drei Stunden lang reiht sich ein BAP-Song an den nächsten. Bassist Werner Kopal und Drummer Jürgen Zöller, der bei „Unger Krahnebäume“ endlich einmal richtig Gas geben darf, sorgen für das Fundament, Keyboarder Michael Nass für dezente Akzente und an einigen Stellen auch für virtuose Orgelspielereien. Vorneweg Krumminga mit regelmäßigen Solo-Einlagen und natürlich Niedecken. Ein guter Auftritt. Doch bei aller musikalischer Leidenschaft, bei aller Spielfreude: Die stärksten Momente der Band kommen dann zum Vorschein, wenn es wirklich gesellschaftskritisch wird. Etwa bei dem grandiosen „Kristallnaach“ – oder dem eindringlichen „Noh Gulu“, in dem es um Kindersoldaten in Nord-Uganda geht. Lieder, bei denen man sich eigentlich das Jubeln verkneifen müsste. Fällt nur so schwer. Denn dafür ist BAP einfach zu gut.

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