Um Nudeln al dente zu kochen, braucht man kochendes Wasser (beziehungsweise Energie), Salz und ein gutes Timing. Drei Dinge, die auch fürs Singen notwendig sind, an denen es dem preisgekrönten a-capella-Quintett Vocaldente im Pantheon aber zumindest in der ersten Hälfte überraschenderweise fehlte – die Hannoveraner waren saft- und kraftlos, stimmlich eher flau und oft nicht knackig genug. Immerhin: Nach der Pause gaben die Jungs Gas und kamen am Ende auf jenes bissfeste Niveau, das von ihnen erwartet werden kann.
Bis dahin war es jedoch ein langer Weg, auf dem die fünf Sänger einen Überblick über 100 Jahre Musikgeschichte geben und gleichzeitig das Wesen der Deutschen ergründen wollten. Schon das erwies
sich als unglückliche, bemüht konstruierte Mischung – ein mit seltsamem Nationalstolz behafteter Begriff als Leitlinie für ein vorwiegend englischsprachiges Programm, in dem gleich drei
Jahrzehnte komplett ignoriert wurden. Zugleich fehlte es von Beginn an an Spannung: Sowohl „Pretender“ von den Foo Fighters als auch Silbermonds Kitschballade „Du bist das Beste, was mir je
passiert ist“ krankten an konservativen Arrangements, die vor allem für die offenbar noch nicht voll eingesungenen Tenöre zu hoch waren. Tiefpunkt des ersten Konzertteils war allerdings das von
Ray Charles in „Blues Brothers“ berühmt gemachte „Shake a Tail Feather“, bei dem noch nicht einmal ansatzweise der für dieses Stück nötige Pepp zu finden war und wichtige Song-Elemente in dem
breiigen Satz verödeten.
Doch es gab auch positive Anzeichen, die auf eine Besserung hoffen ließen. Etwa das von Bariton Johannes Gruber intonierte „Easy“ Lionel Richies, aber auch die fantastische Idee, das
absurd-dadaistische Kurt-Schwitters-Gedicht „An Anna Blume“ zu vertonen. Gute Gesangspassagen und kreative Ansätze: Mehr davon. Und Vocaldente lieferte beides. Mit Queens „Bohemian Rhapsody“,
einem ungewöhnlichen Arrangement von „Yesterday“ (bei dem endlich auch einmal Bass Tobias Pasternack ein paar Zeilen Melodie singen durfte) und einem fetzigen „Footloose“-Auftritt mit dem
charismatischen Tobias Kiel an vorderster Front zeigte das Quintett so langsam seine stimmlichen Qualitäten, zu denen bei den exzellenten Eigenkompositionen „Have Fun“ und dem von Jakob Buch
gerappten „Deutsch sein“ auch ein gutes Gespür für Melodien und Texte kam. Für das Publikum war allerdings ein anderes Stück ein absolutes Highlight: „Gänseblümchen“ von „Ganz schön feist“ sorgte
für enorme Begeisterung, die offenbar Vocaldente endlich den finalen Schub gab: Der Latino-Hit „Conga“ und die Zugaben „Rosanna“ sowie die Bluegrass-Nummer „Does Your Chewing Gum Lose Its Flavor“
begeisterten mit guter Dynamik, hervorragend gesetzten Harmonien und einem guten Drive und bewiesen endlich, warum die Formation, die immerhin als einzige komplett auf Technik verzichtet und noch
nicht einmal Mikrofone nutzt, immer wieder zu den besten a-capella-Gruppen Deutschlands gezählt wird. Energie, Salz und Timing – am Ende war alles vorhanden. Dann können Lieder auch al dente
werden.
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