Immer korrekt, immer höflich, immer Haltung zeigend: Max Raabe ist der perfekte Gentleman. Etwas steif wirkt er am Mikrofon, die Pomade im Haar scheint dann auf den gesamten gefrackten Körper zu wirken, aber das ist lediglich ein Manierismus aus den 30er Jahren, denen Raabe sein künstlerisches Leben gewidmet hat. Mit Erfolg: Am Sonntag hat er ohne mit der Wimper zu zucken die ausverkaufte Beethovenhalle in die Vergangenheit versetzt, in die Zeit der gediegenen Tanzmusik-Orchester, der tadellosen Erscheinungen – und der feinen Ironie, wie so manches altes Lied beweist.
Im Gegensatz zu der Aussage seiner Eröffnungsnummer ist Max Raabe auch gut, wenn jemand zuschaut. Dann vielleicht sogar ganz besonders. Mit typisch näselnder Stimme singt er Stücke von Friedrich
Holländer, Kurt Weill, Robert Gilbert oder Walter Jurmann, wechselt auch mal ins Englische oder Italienische, präsentiert Tango, Paso Doble und Foxtrott und mischt die alten Stücke mit den neuen,
die er zusammen mit Annette Humpe geschrieben hat. Ab und an mimt er den Frauenversteher, weiß zum Beispiel, dass Susi nicht küssen wird (und schon gar nicht alleine, wie Raabe ebenfalls weiß)
oder dass die holde Weiblichkeit kein Problem damit hat, parallel Geld zu überweisen, den Kühlschrank zu enteisen, Aktien zu verkaufen und nen Marathon zu laufen. Zwischendurch geht er auf
Reisen, empfiehlt einen Flug zum Mars oder einen Ahnenforschungstrip zum Amazonas und sucht dann doch den Weg zur Seligkeit über einen Frauenmund. Gerne lässt er sein Palast-Orchester auch mal
für zwei Swing-Nummern ganz allein. Einen Schritt zurück, in den Hintergrund treten: Das macht Raabe immer wieder, sobald er nichts zu tun hat. Dann überlässt er seinen Musikern das Feld, etwa
Altsacofonist Johannes Ernst oder der bezaubernden Violinistin Cecilia Crisafulli, die sowohl einen musikalischen als auch einen optischen Akzent inmitten der bieder wirkenden Männerriege
setzt.
Viele Stücke blühen durch Max Raabe und das Palast-Orchester richtig auf: wunderbar etwa das kecke Arrangement von „Schöne Isabella von Kastilien“ oder Kurt Weills „Speak Low“. Dagegen wirkt
Jerome Kerns „I won't dance“ zu hektisch und die „Over the Rainbow“-Version auf der Glasharfe zu einschläfernd, um den Originalen wirklich gerecht zu werden. Die Ausflüge in die Welt der
Jazz-Standards zünden leider nicht, im Gegensatz zu den deutschen Chansons, die Raabe teilweise einfach nur lakonisch mit Komponist und Texter ankündigt, um dann wieder mit pointierten
Moderationen zu überraschen und etwa lächelnd statt auf die Fertigstellung des Berliner Flughafens auf die Kontinentalverschiebung setzt, die Europa so lange in Richtung der Britischen Inseln
drängt, bis der Flughafen Heathrow in Brandenburg liegt. Bis dann Schluss ist. Zumindest mit dem Konzert. „Niemand bedauert das mehr als wir“, gesteht Raabe, „doch am Ende kommt immer der
Schluss.“ Na ja, fast. So leicht lassen die Bonner Fans den Dandy nicht weg. Und so kommt es, wie es kommen muss: Am Ende bleibt alles am Kaktus hängen.
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