Ein interessanter Kontrast: Der Bühnenhintergrund in der Kölner Essigfabrik besteht aus stilisierten Gesteinsformationen, die der ehemaligen Industriehalle etwas höhlenartiges, urtümliches geben – und vorne, vor einer tobenden Menge, trällert eine junge Blondine in sterngeschmücktem T-Shirt und Spandexhose, die 2010 von Kritikern als vielversprechendste Newcomerin des Jahres ausgezeichnet wurde, mit teils mädchenhafter Sirenenstimme moderne Synthi-Indie-Pop-Stückchen.
Erinnert optisch irgendwie an die 80er, nur mit weniger Farben. Doch der Klang von Ellie Goulding, deren Hit „Lights“ derzeit in den Radiostationen rauf und runter gespielt wird, ist zweifelsfrei
etwas besonderes, vermischt klassisches Liedermachertum mit Hip Hop und Elektro-Elementen und bleibt zugleich in jeder Ausprägung radiotauglich. Nun präsentiert die 25-jährige Britin ihre neuen
Songs erstmals live in Deutschland, nach dem eigentlich für den 29. April geplanten Auftritt in Köln folgen noch Gigs in Berlin, München und bei Rock am Ring.
In der Essigfabrik gibt Goulding Gas, tanzt über die Bühne, trommelt auf einer großen Tom, animiert das bereits frenetisch feiernde Publikum. Doch so ganz frei scheint sie nicht zu sein,
irgendetwas hält sie davor zurück, wirklich authentisch zu wirken. Nervosität vielleicht, oder ein schlafendes Rampensau-Gen. Wahrscheinlich beides, gepaart mit fehlender Erfahrung. So ließe sich
etwa erklären, warum das facettenreiche Sternchen sich bei den lauten Passagen die Seele aus dem Leib schreit und dabei ihre raue Stimme zerreißt, oder warum sie in den Höhen presst und
ausgerechnet dann noch den Kopf in den Nacken legt, um die Stimmbänder noch weiter zuzuschnüren und in eine metaphorische Spandex-Hose zu stecken. Nein, eine gute Sängerin ist Ellie Goulding
wahrlich nicht. Doch der Menge ist das egal. Ihr geht es eher um das Event, um die Performance, um das gemeinsame Zelebrieren eines Abends in der Gesellschaft eines gehypten Stars. Und so wird
jeder Ton von Goulding, jedes „eh eh eh“ und jedes „A-oh-oh“ begeistert bekreischt, aufgenommen und zurückgeworfen.
Dabei bleibt Goulding wenigstens nicht statisch, sondern bringt immer wieder neue Ideen ein. Mal ein Stimmverzerrer und Hip-Hop-Einlagen im Hintergrund, eine Dancefloor-Nummer („Salt Skin“), dann
wieder eine eher mäßige Solo-Einlage mit der Akustikgitarre („Guns & Horses“). Auch die Elton-John-Covernummer „Your Song“ ist im Repertoire – leider, denn von der Qualität und Intensität des
Originals ist in Gouldings Gesang nicht viel zu spüren, während Chris Ketley mit einem extrem trägen Pianospiel diesen Schaden nur potenziert. Dann doch lieber „My Blood“ mit kraftvollen Drums
oder die rockigeren Titel wie der Opener „Don't say a word“. In diesen Momenten beginnt Ellie Goulding tatsächlich zu funkeln und lässt erkennen, dass das Ende ihrer musikalischen Reise noch
längst nicht erreicht ist. Und wenn es nach den begeisterten Fans in der Essigfabrik geht, kann die Britin ohnehin noch lange weiter Stile mischen.
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