Ulla Meinecke: „Meistens bin ich ein Flauschhase“

„Unter der dünnen Moralhirnrinde lauert das alte Gehirn des Menschentiers“, sagt Ulla Meinecke bei ihrem Konzert im Pantheon. Jenes, welches etwa den Futterneid steuert oder den Hass auf all jene, die im Flugzeug schlafen können, während man selbst daneben sitzt und vergeblich nach dieser drittgrößten Gabe der Menschheit giert. Davor ist nach eigenen Worten selbst die sympathische Liedermacherin nicht gefeit, die sich sonst eher als „Flauschhase“ bezeichnet. Was auch ein bisschen trügerisch ist.

Denn bei all ihrer Poesie ist Ulla Meinecke eine, die scharf schießen kann, die ihren pointierten, wunderbar angedunkelten Humor immer wieder aufblitzen lässt. In ihrer Moderation ebenso wie in ihren Liedern: Da lästert sie auch schon mal über andere Männer ab, gibt Trennungstipps oder schaut ironisch auf Anti-Aging-Anwendungen, die ebenso ergiebig seien wie eine Katzenklappe in einem U-Boot, die sie aber laut den Äußerungen der Werbeindustrie nutzen müsse. Von wegen. Kein Bedarf an Illusionen. „Ich bin zu alt“ bekennt sie, natürlich mit unübersehbarem Augenzwinkern und leichten Hip-Hop-Anklängen. Nur um kurz darauf in abgründige Liebeslyrik einzutauchen: „Wenn Du mich nicht verstehst, das ist wie Bierdosen kicken im Regen.“ Was für ein Bild. Kein Zweifel, textlich ist Ulla Meinecke, die parallel zu ihrer Musiktournee derzeit auch auf Lesereise ist, in Topform.

Musikalisch stimmt dies dagegen nicht so ganz, wobei ein maßgeblicher Anteil auf Technikprobleme zurückzuführen ist: Gitarrist Ingo York hat im Pantheon Ärger mit einem Schaltpedal, was unter anderem dazu führt, dass seine Bassgitarre unangenehm dröhnt und irgendwelche Plastikteile in schnarrendes Schwingen versetzt. Aber auch das Keyboard von Reinmar Henschke ist nicht optimal eingestellt, mal etwas zu laut, mal viel zu leise. Ärgerlich, zumal Ulla Meinecke gerade an diesem Abend die Unterstützung ihrer ansonsten souverän agierenden Kollegen mehr braucht als sonst: Die ersten Heuschnupfen-Anzeichen machen ihr zu schaffen. Doch die 59-Jährige lässt sich nicht unterkriegen, kämpft mit ihrer Ausstrahlung gegen den oft nur mäßigen Instrumentenklang an und zieht das Publikum mit ihrer blueslastigen, leicht rauchigen Stimme in ihren Bann.

Zwei Stunden lang sinniert Ulla Meinecke über Liebe, Beziehung und Erwartungshaltungen, tröstet kriselnde Männer mit einem titanischen „großen Herz“, erinnert sich an Marlene-Dietrich-Poster an der Schlafzimmerwand und brilliert mit exzellenten kleinen Geschichten und Anekdoten. Damit tröstet sie über so manchen akustischen Aussetzer hinweg – und erhält zu recht ausgiebigen Applaus. 

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