Klaus Doldinger: Up- statt Outdated

Jeder kennt die Musik von Klaus Doldinger, bewusst oder unbewusst. In Millionen deutschen Haushalten erklingt Sonntags regelmäßig eines seiner Stücke. 20.15 Uhr, „Tatort“. Jenen Melodie, die Til Schweiger vor etwa einem Jahr als „outdated“ bezeichnete. Jetzt feierte die Jazz-Legende in der Bundeskunsthalle sein 60-jähriges Bühnenjubiläum – und bewies mit seiner Band „Passport“, dass er auch mit alten Kompositionen noch aktuell sein kann.

Das Zauberwort heißt Remix. Up- statt outdated. Einige Klassiker hat Doldinger inzwischen neu arrangiert, „Will o' the Wisp“ etwa, das nun viel kraftvoller und rockiger klingt als in der Version von 1975, während „Ataraxia“ mit breiten Sythi-Sounds und Echo-Effekten eher in Richtung Lounge-Musik wabert. Und das bereits 1988 futuristisch klingende, von der arabischen Klangwelt inspirierte „Sahara“ könnte in der neuen Fassung dank massiver Electronica-Anklänge von Keyboarder Michaeol Hornek auch auf einem Rave aufgelegt werden, um die Techno-Jünger vor allem im Mittelteil in Ekstase zu versetzen.

In diesen getunten Kompositionen gibt die Band richtig Gas, bleibt im Rauschzustand des schrägen, zu Anfang des Konzerts erklingenden „Mandragora“. Manchmal ist das zu viel. Vor allem wenn Doldinger pausiert und Passport gewähren lässt, haben die führerlosen Musiker die Tendenz, in einen Wettstreit zu verfallen, Keyboard gegen Drums gegen Percussion gegen Gitarre und Bass, was zu einem übertrieben dichten, fast schon hektischen Ausbruch führt, den nur Soli oder der Wiedereinstieg von Doldinger befrieden können. Dass es auch anders geht, zeigt das für die von Flugangst geplagten Musiker geschriebene „Happy Landing“: Selbst ohne den die Latin-Rhythmen durch gefühlvolles, getragenes Saxopfon-Spiel in Schach haltenden Doldinger bleibt die Band kultiviert, hält zusammen statt gegeneinander und schafft es dadurch, das Stück wirklich rund zu machen.

Zwischen diesen fetzigen Werken, in denen sich die verschiedenen Einflüsse Doldingers widerspiegeln, arabische und afrikanische Harmonien auf Latin-Flair, Funk-Elemente und Bebop-Stil treffen, spielt ein gut gelaunter, fitter 76-jähriger Jubilar, der immer wieder auf die vergangenen Passport-Jahre zurückblickt, auch einige ruhige Stücke an. Das von klassischen Klavierpassagen durchzogene „Dark Flame“ etwa oder das verträumte „White Angel“, in dem Doldinger statt zum Tenor- zum Sopran-Saxofon greift. Abwechslung muss sein. Zumal gerade in diesen Balladen das Spiel Doldingers erst richtig zur Geltung kommt, die Töne aufblühen, Raum einnehmen können und von den Passportern getragen werden.

Die Mischung machts. Mit Erfolg: Das Programm in der Bundeskunsthalle spiegelt die Vielseitigkeit Doldingers ohne weiteres wieder. Ab und zu darf sogar geswingt werden. Und gestaunt, wenn die berühmtesten Melodien erklingen, die des „Tatorts“ oder die von Wolfgang Petersens Meisterwerk „Das Boot“, die nichts von seiner Faszination verloren hat. Dann ertönt wieder das Echolot, während Doldingers Saxofon die Weiten des Meeres in Töne fasst, bevor Passport es richtig krachen lässt. Outdated? Von wegen.

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