Nicole: „Selbst wenn der Strom ausfällt, spielen wir weiter“

Nicole will Farbe bekennen. Zeigen, was sie kann und sich nicht, wie viele ihrer Kollegen, hinter Playback verstecken. Also unplugged spielen. Und dann auch noch in Kirchen, wo zu viel Technik ohnehin mehr schadet als nützt. „Selbst wenn der Strom ausfällt, spielen wir weiter“, verspricht sie. Seit 2009 setzt die Schlagersängerin auf dieses Prinzip, am Donnerstag war sie nun mit ihrem aktuellen Programm in der Bonner Kreuzkirche und sang Klassiker sowie Stücke von ihrem neuen Album.

Es war ein sympathischer, ehrlicher Auftritt mit Songs, die teils einfühlsam, teils aufrüttelnd klangen, präsentiert von einer tollen Stimme. Ja: Playback brauchte Nicole wirklich nicht. Andere dagegen schon.

Nicole präsentierte sich entspannt und gut gelaunt, suchte schon zu Konzertbeginn den Kontakt zum Publikum und stimmte extra für zwei Nachzügler noch einmal ein paar Zeilen von ihrem Eingangslied „Mit Leib und Seele“ an. Kleine Gesten, die die Fans begeistern. Auch ein im späteren Verlauf im Mittelgang angestimmtes „Voglio amarti cosi“ schaffte Nähe, zumal diesmal selbst die Musiker ihre angestammten Plätze vor dem Altar verließen und die Verstärkungen abschalten mussten. Leider war es die einzige Bewegung des Konzerts: Ansonsten saßen Nicole, ihre beiden Gitarristen und ihr Cajón-Spieler schön brav aufgereiht, unbeweglich, spannungsarm. Schade – zumal dieser Eindruck noch durch andere Faktoren verstärkt wurde. Etwa die Abmischung des Gesangs, der jeglichen Versuch von Dynamik vernichtete, die Lautstärke immer schön konstant hielt und damit monoton wirkte. Auch die rhythmischen Ungenauigkeiten der schleppenden Cajón waren enttäuschend, bei „Mit dir leben“ sogar mehr als das.

Dabei ging es auch anders. Vor allem, wenn Nicole sich aus dem engen Korsett des deutschen Schlagers mit seinen Standard-Harmonien und einfachen Melodieführungen befreite: Bei „Für die Seele“ reduzierte sie die Besetzung noch weiter, ließ Bassgitarre und Cajón zunächst außen vor und fokussierte sich auf das Wesentliche. Schönen Gesang. Das funktionierte, zumal nach und nach die Instrumente einsetzten und die ursprünglich sanfte Ballade am Ende fast einen rockigen Klang hatte. Ein exzellentes Arrangement. Auch das unmittelbar folgende „So viele Lieder sind in mir“ überraschte: Im Refrain wechselte Nicole ins Englische, und auf einmal war der so oft gescholtene deutsche Schlager ein moderner Pop-Song. „Mit dem Wechsel der Sprache verändert sich der musikalische Ausdruck des Lieds“, hat Nicole einmal in einem Interview gesagt. Stimmt.

Natürlich wollten auch die Fans ihren Teil zum Konzert beitragen. Irgendwann begann ein mehr oder minder koordiniertes Klatschen, bei „Ein leises Lied“ und dem noch immer frisch wirkenden „Flieg nicht so hoch“, mit dem damals Nicoles Karriere begann, durfte das Publikum dann sogar mitsingen. Doch genau in diesen Momenten wäre ein Playback eine gute Idee gewesen. Denn ausgerechnet die lautesten Fans klangen dermaßen schief, dass Nicole mit schmerzverzerrtem Gesicht lieber wieder selbst ans Mikro trat. Und die Grand-Prix-Hymne „Ein bisschen Frieden“ anstimmte. Ihren größten Erfolg und für viele begeisterte Fans der Höhepunkt des Abends, für den sie sich mit lang anhaltendem Applaus bedankten. 

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