Irgendetwas passt nicht zusammen. Eigentlich sogar vieles. Ilse Aigner und das Verbraucherschutzministerium, zum Beispiel. Oder der Verfassungsschutz und sein Name. Auch der Kampf gegen die Schuldenkrise mit neuen Schulden irritiert, verwirrt, sorgt für eine kognitive Dissonanz. Erwin Pelzig (Frank-Markus Barwasser) hat derer jede Menge. Eine ganze Mappe voll. Doch während die meisten Menschen die Störgefühle beseitigen, indem sie sich alles schönreden, muss Pelzig beinahe zwanghaft die Akten offenlegen, so wie etwa im Bonner Pantheon. Selbst wenn es für ihn schmerzhaft ist.
Es sind die großen Themen, die Pelzig umtreiben, die psychologischen und philosophischen Probleme unserer Zeit. Warum fremdeln die Märkte mit der Demokratie? Was ist guter Konsum? Wollen wir die
totale Transparenz? Und warum vertrauen wir nicht dem Zufall? Etwa bei Wahlen. Was soll da schief gehen? Im schlimmsten Fall bekommt man einen fachlich maximal unbefangenen Wirtschaftsminister,
einen Mediziner vielleicht. Also macht Pelzig die Probe aufs Exempel und lost besagtes Amt aus, sehr zum Unmut von Stammtischfreund Dr. Göbel. Immerhin, das Los trifft keinen Arzt, sondern einen
Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Geht doch. Und so setzt Pelzig weiterhin auf seine Glückstrommel, zieht unter anderem noch eine junge Bundespräsidentin und einen Mann aus Neuwied, der den
ganzen Atommüll mit nach Hause nehmen darf. Völlig vorurteilsfreie Endlagersuche, nennt der Mann mit dem Cord-Hüdli letzteres.
Ja, die Wahl: Das größte Versprechen der Demokratie und gleichzeitig die größte Enttäuschung. Pelzig ist entsetzt – zumal in anderen Ländern die Entscheidung zwischen Skylla und Charybdis,
zwischen Pest und Cholera herbeigesehnt wird. Denn von den deutschen Parteien hält der Franke nichts. Vor allem nicht von den regierenden. Die CSU ist für ihn wie ein Kind, das man mit Ritalin
vollpumpen sollte, die CDU folgt einem von Angela Merkel geworfenen Knochenorakel, und die FDP sehnt sich nach dem sich als Phantomschmerz immer wieder zeigenden und doch auf ewig verlorenen
Charakter. Kein Wunder, dass Pelzig sich vor der völligen Transparenz fürchtet und um seine Resthoffnung bangt. „Die Erotik der Demokratie ist, dass man nicht alles sieht“, sagt er. Sonst wäre es
Pornographie. Und die will sich bei Merkel und Co wohl niemand auch nur vorstellen.
Neben der Politik-Riege geht Erwin Pelzig vor allem gegen die Ökonomen und ihre semi-religiösen Ansichten vor, etwa gegen den in seiner Vorstellung rotbeschuhten Hans-Werner Sinn oder den
Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain. Vor allem über letzteren wundert er sich: Jain ist Anhänger des Janismus und somit nicht nur der Gewaltlosigkeit, sondern auch der Wahrheit und der Unabhängigkeit
von unnötigem Besitz verpflichtet. Passt natürlich gut zusammen. Und so gibt es wieder eine kognitive Dissonanz, die Pelzig sich nicht schönreden will. Dabei würde es ihn so entlasten, nicht
immer an Heuchelei und Ungerechtigkeit denken zu müssen. Doch Selbstblendung kommt für Pelzig nicht in Frage. Dann sich lieber öffentlich aufregen, damit das begeisterte Publikum kollektiv mit
den Köpfchen nicken kann. Um so genussvoll die Störgefühle aufzulösen.
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