Stephan Masur: Vom Adel verpflichtet

Bälle aufheben, Kästen tragen, Requisiten wegräumen: Das ist unter der Würde eines Mitglieds der Noblesse. Dafür gibt es Diener. Niederes Volk, das aufmerksam zu dem Comte auf der Bühne des Bonner Pantheon-Casinos aufblicken und ihm jeden Wunsch von den Lippen beziehungsweise Augenbrauen ablesen muss, zugleich aus reiner Ehrerbietung gegenüber dem erhabenen Stande das Klicken und Schnalzen des Hohen Herrn zu interpretieren versuchend. Adel verpflichtet eben. Auch gerne mal drei oder vier Mitglieder des Pöbels. Abgespeist werden diese mit Tand, Ballontieren – und Jonglage, Balancierkunst oder Schattenspielen. Ein fairer Tausch.

Hinter der überschminkten Maske des barocken Comte steckt Stephan Masur, der seit Jahren im Bonner Pantheon das Varieté-Spektakel inszeniert und organisiert. Am Freitag und Samstag war er nun als Solist mit einem nostalgischen, ja fast schon archaischen Programm auf der kleinen Casino-Bühne zu Gast. Kein großes Spektakulum, keine bezaubernden Licht-Effekte, kein Gag-Dauerfeuer – stattdessen Kleinstkunstnummern, die mehr von der Ausstrahlung des Comte als von einer perfekten Ausführung zehren. So fällt etwa beim Jonglieren mit sechs Bällen schon mal einer zu Boden, fehlt das richtige Quentchen Gleichgewicht auf dem aufgebauten Drahtseil, will die singende Säge zum Finale nur quietschen und quälend jaulen. Kleine Makel, die aber meistens irgendwie charmant wirken. Und so gelingt es dem Comte immer wieder, das Fußvolk zu begeistern und zu „Vivat“-Rufen zu animieren, die ihm als Adeligen nun einmal zustehen.

Auf die Dienstbarkeit des Publikums ist bei all den dargebotenen Nummern Verlass. Immer wieder findet Masur willige Opfer, die Kleinigkeiten für ihn erledigen oder als Statisten irgendwo auf der Bühne einen Platz zugewiesen bekommen. Lediglich beim infantilen Aufblasen von Modellierballons fordert der Comte etwas mehr Aktivität, geht dabei aber auch das Risiko ein, die ausgewählten Personen vorzuführen – denn ein Scheitern ist bei Ungeübten vorprogrammiert. Wie gut, dass der heimelige Rahmen des Casinos derartiges leicht verzeiht. Ebenso wie die entspannende Sportgymnastik im Anschluss.

Auch wenn nicht immer alle Nummern glatt laufen, entlässt der Comte nach gut anderthalb Stunden ein zufriedenes, dem Charme dieser Mischung aus Akrobatik, Jonglage und Taschenspielertricks erlegenes Publikum. Ja, vieles wirkt angestaubt, unspektakulär, antik. Doch manchmal braucht es nicht mehr als eine Lichtquelle, eine Leinwand und im Schattenspiel versierte Hände, um zu bezaubern. Ein barockes Vergnügen. Aber eben ein Vergnügen.

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