Silje Nergaard: Jazzansätze im Balladen-Stau

Ein Stau auf deutschen Autobahnen kann tatsächlich für etwas gut sein. Zum Beispiel für ein Lied. Silje Nergaard hat es geschrieben, als es mal wieder nicht vorwärts ging, eingequetscht zwischen ihren drei Gitarristen, mit denen die norwegische Sängerin derzeit unterwegs ist. Das Ergebnis, das sie auch bei ihrem Konzert in der Bonner Harmonie präsentiert, ist ein funkiges Stück, eine Art Gute-Laune-Lied für alle Staugeplagten, locker und ungezwungen, gesungene Raser und Polizeisirenen inklusive. Und mit der unvergleichlichen Nergaard-Stimme: Manchmal mädchenhaft, immer glasklar, perfekt intoniert, gefühlvoll. Aber trägt dieser Schwung auch die langsameren Stücke?

Mit ihrem neuen Album „Unclouded“ knüpft Silje Nergaard in gewisser Weise an ihre Anfänge an, während sie sich gleichzeitig immer mehr von ihnen entfernt. Gitarren als einzige Begleitung: Das erinnert sie an ihren Vater, der ihr als Kind immer vorspielte – und an ihren ersten Bühnenpartner, Nils Einar Vinjor, der auch jetzt wieder mit von der Partie ist. Musikalisch bleibt Silje Nergaard dagegen eher ihren letzten Alben treu, ist mehr alternde Singer/Songwriterin als jung gebliebene Jazz-Lady. Von „Nightwatch“ oder „At first light“ ist nicht viel übrig geblieben, nur ein paar Balladen haben es in das aktuelle Programm geschafft. Swing ist die Ausnahme, nicht mehr die Regel: Das freche „He must have been telling a lie“ ist das einzige Stück seiner Art auf „Unclouded“, in der Harmonie kommt noch ein leider etwas gezähmteres „Tell me where you're going“ und ein nur bedingt überzeugendes „Dream a little dream of me“ hinzu.

Häufiger schlägt Silje Nergaard die ruhigeren Töne an, singt wunderschöne Balladen wie „Be still my heart“ oder „The moon's a harsh mistress“ und überlässt sowohl Scat-Gesang als auch jegliche Clownerie Håvar Bendiksen, der mit seinen Spielereien nicht nur das Publikum, sondern auch die Bandkollegen immer wieder zum Schmunzeln bringt. Und dadurch selbst dann die Spannung hält, wenn diese aufgrund einer minimalistischen Instrumentierung vorübergehend einzubrechen droht und nur noch von Nergaards Stimme aufrecht erhalten wird. Klappt auch ganz gut – nur bei dem Killers-Song „Human“ scheitern alle Bemühungen. Dessen lahmes Arrangement wird weder dem Original noch Silje Nergaard gerecht. Ansonsten ein schönes, oft verträumtes und manchmal auch freches Konzert. Nur ein bisschen mehr guter Jazz wäre schön gewesen.

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