„Es grient so grien, wenn Spaniens Blieten bliehen“ – dieses verdammte Ü bereitet Eliza immer Probleme. Doch das hübsche Blumenmädchen, Hauptfigur des am Sonntag von der Kammeroper Köln in der Beethovenhalle gleich zweifach aufgeführten Musicals „My fair Lady“, gibt nicht auf. Denn in ihrer Welt ist der Stand eine Frage der Sprache: Hochdeutsch (beziehungsweise im Original upper class English) in den Palästen, Berliner Schnauze (oder Cockney English) in der Gosse.
Nur aus diesem Grund nimmt Eliza die Strapazen eines Zusammenlebens mit Professor Higgins auf sich, der sich aufgrund einer Wette mit seinem Freund Oberst Pickering dazu verpflichtet sieht, aus
der jungen Frau von der Straße eine echte Lady zu machen. Mit Erfolg. „Es grünt so grün“ – irgendwann klappt es auch mit dem Ü. Und mit der feinen Gesellschaft. Und Higgins.
Das berühmte Musical von Frederick Loewe, basierend auf George Bernard Shaws „Pygmalion“, ist ein Klassiker, Tony-prämiert, verfilmt, allgegenwärtig. Eine Vorlage, die hohe Erwartungen generiert.
Die Kammeroper Köln, die nun mit ihrer Produktion auf Tournee ist, hat diese voll und ganz erfüllt. Mit sichtlicher Spielfreude bringt das Ensemble den Stoff auf die Bühne und zeigt sich dabei
sowohl gesanglich als auch tänzerisch in ausgezeichneter Form. Allen voran begeistert Maria Mucha als Eliza Doolittle: Keck, frech, nicht auf den Mund gefallen und doch zugleich so verletzlich
angesichts der schweren Aufgabe und des andauernd triezenden Professor Higgins. Dem verleiht Volker Hein formvollendet die richtige Mischung aus Arroganz, Selbstverliebtheit und zunehmender, wenn
auch hinter rabiatem Verhalten versteckter Zuneigung zu seiner Schülerin, die darauf gerne mal mit durch die Wohnung fliegenden Pantoffeln antwortet. Und dann ist da noch Bernhard Dübe, dem als
väterlichem Oberst Pickering die Aufgabe zufällt, an manchen Stellen den Clown zu geben, um die in der Luft liegende Spannung zwischen Eliza und Higgins zu dämpfen – was ihm erfreulicherweise
stets gelingt, ohne dass die Szenerie ins Peinliche oder Alberne abgleitet.
Geschickt entwickelt das Ensemble die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren, zeigt Lehrstunden und Kratzbürstigkeiten, Niederlagen und Höhepunkte. So gerät der Besuch des Pferderennens in
Ascot zum Desaster, weil Eliza in alte Sprachmuster zurückfällt: In der hohen Gesellschaft, die selbst Zeilen wie „selten war ich so lebendig“ in Zinnsoldaten-Positur singt, kommt dies nicht gut
an. Leider entfällt die entsprechende Parallel-Szene: Der Diplomatenball, bei dem Eliza selbst die ungarische Monarchie begeistert, ist wohl dem Kammeroper-Rotstift zum Opfer gefallen und wird
lediglich rückblickend von Higgins und Pickering erzählt. Dies ist aber immerhin die einzige Streichung in der fast dreistündigen Aufführung.
Auch musikalisch macht die Kammeroper alles richtig. Das Ensemble-Orchester unter der Leitung von Inga Hilsberg (in der 19-Uhr-Vorstellung vertreten von Katharina Hur) spielt die Stücke, denen
die Nähe zur Operette in jeder Note innewohnt, temporeich und akzentuiert, kräftig wenn möglich, zurückhaltend wenn nötig. Etwa bei den vorzüglichen Gesangspartien, zu denen der Welt-Hit „Ich hab
getanzt heut Nacht“ gehört – oder auch das wunderbare „Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht“, mit dem der eingefleischte Junggeselle Higgins erstmals ausspricht, wie sehr ihm Eliza ans Herz gewachsen
ist. Ob er ihr dies jedoch jemals selbst sagt, lässt das Musical ganz bewusst im Dunkeln.
Kommentar schreiben