Johnny Winter: Überleben mit Rock und Blues

Da sitzt er nun, die Gitarre im Arm, die knochigen Finger spielen jene Stücke, die sich im Laufe der Jahrzehnte in die Gene Johnny Winters eingebrannt haben und die er wahrscheinlich selbst im Grab nicht vergessen könnte. Oder auf jeder beliebigen Bühne. Zum Beispiel auf der der Harmonie. Dorthin ist die Blueslegende an diesem Montagabend zurückgekehrt, nachdem er erst im März ein umjubeltes Konzert gegeben hatte, bei dem viele Fans einfach kein Ticket mehr ergattern konnten. Also ein Zusatztermin – und auch der ist schon seit Monaten ausverkauft.

Jetzt, nachdem der offizielle Strat-King Thomas Blug mit seiner Playback-Maschine die Bühne frei gemacht hat, drängen sich die Leute dicht an dicht, um den Klang des Winters zu hören. Oder es zumindest zu versuchen. Denn zumindest zu Beginn des Konzerts geht die alte raue Stimme im mächtigen Gitarrensound unter; welchen Song der 68-Jährige grade anstimmt, ist kaum auszumachen. „Blackjack“ ist auf jeden Fall dabei, „Dust my broom“ auch. Und „Johnny B. Goode“, mit dem Winter das Konzert eröffnet und sich vielleicht auch selbst zur Disziplin aufgerufen hat. Johnny, sei gut – ist er. Deutlich stärker als vor etwa einem Jahr, als er noch beim Betreten der Bühne rechts und links gestützt werden musste, vom jahrelangen Drogenkonsum und dem Kampf gegen die Sucht gezeichnet, ausgezehrt, ein wandelndes Skelett am Rande des Zusammenbruchs. Jetzt schafft er es immerhin schon ganz alleine zu seinem Platz, spielt sogar zwei Stücke im Stehen und wird dabei nicht etwa langsamer oder leiser. Sondern härter.

Überhaupt steht der Rock im Zentrum des Konzerts, weniger der reine, pure Blues, zu dem Winter eigentlich zurückkehren wollte. Doch vielleicht fällt es der Band so leichter, den Altmeister zu stützen, sollte es mal eng werden. Schon so ist nicht immer ganz klar, welche Töne gerade von Winter und welche von Gitarrist Paul Nelson kommen, der sich zusammen mit Bassist Scott Spray und Drummer Vito Liuzzi abrackert, das Tempo hoch- und Winter in der Bahn hält. Sicherer ist das. Doch zumindest in der Harmonie wirkt die weißhaarige Legende während des knapp 90-minütigen Auftritts konzentriert und fokussiert. Nicht energetisch – diese Zeiten sind vorbei. Aber doch präsent. Sich mit wimmernden und quietschenden Gitarrenklängen und einem zunehmend stärker werdenden Gesang gegen das Ende wehrend, mit dem Rock und dem Blues, der durch die dünnen Arme fließt und Winter am Leben hält. Also dann: Go Johnny Go.

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