„Die Hexe im Nonnenkleid“: Monologreiche Geschichtsstunde

Und wieder ein rückwärts gewandter, erzählender Monolog. Immerhin ein eindringlicher: Sophia Agnes von Reichenhall (Alexandra Heimberger) berichtet unter Tränen von der grausamen Folter, die ihr im Auftrag des Kurfürsts Ferdinand von Wittelsbach (Johannes Prill) angetan wurde. Dieser will die Nonne, die Wunder gewirkt haben soll, als Hexe hinstellen, was ihm letztlich auch gelingt – unter der Tortur bricht Sophia zusammen, gesteht Kommissar Johannes Roemeswinckel (Gregor Jansen) alles, was dieser von ihr hören will. Ein Moment höchster Emotionalität – doch auch an dieser Stelle kommt im EuroTheater Central, wo Wilfried Eschs Stück „Die Hexe im Nonnenkleid“ am Donnerstagabend seine Gastspielpremiere feierte, keine echte Spannung auf. Zu aufgesetzt wirken die detaillierten Schilderungen der Nonne über den Geschlechtsakt mit Satan, zu eintönig die Darstellungen von Roemeswinckel und Henker Hans (Wilfried Esch), die immer wieder die selben Bewegungen ausführen und die selben Drohungen ausstoßen.

Überhaupt krankt das Stück an eindimensionalen, unausgefeilten Charakteren, denen keine Chance auf eine Entwicklung gegeben wird – nicht zuletzt weil Interaktionen zwischen den einzelnen Figuren oder gar Dialoge Mangelware sind. Stattdessen sprechen sowohl Kurfürst als auch Nonne sowie obendrein ein zusätzlich auftauchender Erzähler namens Pater Maurus (Ewald Dorn) andauernd das Publikum an, erzählen ausschweifend über die historischen Begebenheiten, wirken dabei aber so distanziert wie in einer szenisch aufbereiteten Geschichtsstunde. Einzig Alexandra Leffers-Knoll in der Rolle der besessenen Klarissin Lucia gelingt ein starker Auftritt, die vor allem durch eine verstörende Mimik getragen wird. Aber sie muss auch nicht monologisieren.

Dabei bietet das Thema so viel: Eine Klerikerin, die das Opfer von Fanatismus und Machtgier wird, denunziert, gefoltert, erdrosselt. Doch um die Geschichte in ein etwa anderthalbstündiges Stück zu packen, bedarf es der Kunst der Reduktion. Esch dagegen will alles erzählen, will den Kurfürsten in Szene setzen, auch den als Erzähler agierenden Beichtvater Sophias, der Gefühle für die Nonne hegte, will die Zeit im Konvent zeigen und die Zeit der Folter. Material für ein drei- bis vierstündiges Mammutprojekt. Kein Wunder also, dass die einzelnen Figuren in „Die Hexe im Nonnenkleid“ Abziehbilder bleiben, austauschbar, belanglos, nebensächlich – für komplexe Charaktere ist einfach kein Platz. Zumal Esch meint, dem Publikum auch noch Hintergrund-Informationen vermitteln zu müssen: Über die Eltern von Sophia, das Rechtssystem im 17. Jahrhundert, den schwelenden Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken. Alles in trockener, poesieloser Monologform. Historisch nicht unwichtig, dramaturgisch weitgehend überflüssig. Opfer sind dabei die Schauspieler, die überhaupt nicht die Chance haben, ihren Figuren Substanz zu geben.

So bemüht „Die Hexe im Nonnenkleid“ auch wirkt, ist doch die Idee, diesen historischen Stoff auf die Bühne zu bringen, aller Ehren wert. Im Schlussmonolog von Pater Maurus flechtet Esch jedoch eine anachronistische Volte ein, die alles ins Absurde gleiten lässt: Da vergleicht der Franziskaner doch tatsächlich die Hexenprozesse mit dem ach so gefährlichen, rufmordenden Cyberspace, in dem ebenso fröhlich verleumdet werde wie zu Zeiten der Sophia. Das ist nichts weiter billiger Populismus, dem Thema, dem Theater und dem Publikum nicht würdig. Ein peinlicher Abschluss, der die Wirkung des Stückes nahezu völlig demontiert. Schade: Sophia hätte besseres verdient.

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