Bundesjugendorchester: Programmmusik mit Gliederpuppen

Ein bisschen verwirrend war der Titel schon: „Great (Benjamin) Britten“ hatte die Bundeskunsthalle das spannende Konzert des Bundesjugendorchesters benannt, das sie am vergangenen Samstag im hauseigenen Forum als Ergänzung zu der Ausstellung „Schätze der Weltkulturen. Die großen Sammlungen: The British Museum“ präsentierte. Doch von der Größe des englischen Komponisten bekamen die Zuhörer nur einen kleinen Eindruck – lediglich sein selten gespieltes Klavierkonzert erklang.

Und auch das Wortspiel mit „Great Britain“ hielt nicht, was es versprach, ergänzte doch neben Beethovens pompöser Egmont-Ouvertüre mit Igor Strawinskis Ballett „Petruschka“ eine russische Komposition das Programm. Nein, sonderlich passgenau war diese Aufpfropfung der BJO-Winter-Tournee auf die Ausstellung wirklich nicht. Doch egal: Immerhin kam das Bonner Publikum so in den Genuss, eines der besten Nachwuchsorchester der Welt zu erleben, das in zwei äußerst anspruchsvollen Werken ihre Qualitäten eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Nach einem fulminanten Egmont-Auftakt, der mit seinem heroischen Hymnen-Charakter Benjamin Britten eher suspekt war, stellte dessen von Prokofjew und Schostakowitsch inspiriertes Klavierkonzert das BJO uns seinen neuen Dirigenten Michael Sanderling vor eine erste große Herausforderung. Immer wieder wechselten Themen und Tempi, während das Orchester zugleich als Kontrapunkt zu dem hervorragend agierenden Markus Schirmer am Klavier agieren musste, ohne diesem jedoch den nötigen Raum zu nehmen. Eine Aufgabe, die das BJO gekonnt erfüllte, auch wenn sich an einigen Stellen noch leichte Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den 14- bis 19-jährigen Musikern und dem Dirigenten zeigten. Vor allem die Bläser hatten es manchmal schwer, während die Streicher leichteres Spiel hatten – die Vergangenheit Sanderlings als Solo-Cellist und künstlerischer Leiter der Deutschen Streicherphilharmonie machte sich durchaus bemerkbar. Lobend zu erwähnen seien an dieser Stelle aber auch die Klarinetten und Oboen, die über die gesamte Länge des Konzerts hinweg eine erstklassige Leistung ablieferten.

Nach der Pause dann die nächste Mammutaufgabe. Strawinski. Noch mehr ineinander greifende Themen, noch mehr Konflikte. In seinem Ballett „Petruschka“, in dem ein tragisch endendes Eifersuchtsdrama unter Puppen entsteht, stehen sich beinahe immer gegensätzliche Elemente gegenüber, homogene Strukturen entfallen zugunsten einer komplexen Verschachtelung von Rhythmik und Melodik. So wird etwa ein Walzer der Ballerina mit dem gegenläufigen Motiv des im Stück auftretenden Mohren konfrontiert – ein Zeichen dafür, wie wenig die beiden Figuren zueinander passen, zugleich aber eine immense Herausforderung für die Musiker, die beide Rhythmen konsequent durchziehen müssen. In diesem Wirrwarr gilt es souverän agieren, was dem BJO in der Bundeskunsthalle auch bravourös gelang. Sauber, präzise, konzentriert: So sehr Britten auch im Mittelpunkt des Konzerts stand, war es doch Strawinski, der den Höhepunkt darstellte. Zu recht. 

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