Adrienne Haan: Von Kopf bis Fuß aufs Singen eingestellt

Berlin in den 20er und 30er Jahren, das ist die Zeit von Adrienne Haan. Die Bonner Sängerin, die zwischen ihrer Heimatstadt, New York und Sydney hin und her tingelt, liebt diese Epoche, in der sich Frauen und Homosexuelle zu emanzipieren begannen, liebt das laszive, verführerische Moment und die teils frechen Texte. In der bis auf den allerletzten Platz belegten Post Tower Lounge konnte sie nun zusammen mit ihrer neuen Partnerin Laia Genc im Rahmen des Beethovenfests ihr Programm „Berlin, mon amour“ einem begeisterten Publikum präsentieren.

Viele der Stücke, die Adrienne Haan an diesem Abend mit Charme und Sex-Appeal zum Besten gab, galten bei den Nationalsozialisten als entartet – und verschwanden oft in der Versenkung. Haan hat sie wieder hervorgekramt, die Berliner Kabarett-Nummern und verruchten Frauen-Songs, sie zu Medleys zusammengeschrieben und singt sie nun mit fühlbarer Leidenschaft. Und einer großen Freude am Schauspiel: Die heiße 34-Jährige schlüpfte mit Wonne in die Rolle der großen Verführerin, die die Männer umgarnt, sich auf ihre Schöße setzt, ihnen augenzwinkernd in die Wange kneift. Selbst in der Moderation ließ sie von diesem Bild selten ab, erklärte historische Zusammenhänge und war doch schon in Aussprache, Gestik und Mimik längst wieder im nächsten Stück.

Natürlich durften in einem derartigen Programm die Kompositionen von Kurt Weill nicht fehlen. Sowohl „Die Moritat von Mackie Messer“ als auch die „Seeräuberjenny“ erklangen, um der berühmten Dreigroschenoper zu huldigen. Daneben bewies Adrienne Haan aber auch einmal mehr, dass es auch ohne Brecht geht: Der Weill-Tango „Youkali“ war das wohl bewegendste Lied der ersten Hälfte, sowohl Haan als auch Pianistin Genc waren atemberaubend.

Im zweiten Teil der Show wechselte das Duo dann sowohl die Zeit als auch den Stil. Nach einem relativ schnellen Medley, das fast ausschließlich Gershwin-Stücke beinhaltete (nur „Over the Rainbow“ fiel aus der Reihe), stand eine Hommage an den Chansonnier Jacques Brel auf dem Plan – und auch hier überzeugte Adrienne Haan. Ihre Versionen von „Amsterdam“ und „Ne me quitte pas“ strotzten vor Emotionalität, waren aufgeladen mit Wehmut und Leidenschaft und wirkten dabei so natürlich, dass sie selbst die Highlights der 20er Jahre in den Schatten stellten. Großartig, so wie der gesamte Abend, der mit zwei Zugaben und jeder Menge Applaus endete. Und der Zusage von Adrienne Haan, im nächsten Jahr wiederzukommen. Eine Sache mehr, auf die man sich 2013 freuen kann.

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