Weihnachten – eine Zeit der Besinnlichkeit und der Gemeinschaft. Sofern man nicht Ebenezer Scrooge heißt. Diese Hauptfigur von Charles Dickens Novelle „A Christmas Carol“, die die Kammerspiele Bonn-Bad Godesberg am vergangenen Samstag in einer frischen und unterhaltsamen Inszenierung zum ersten Mal in dieser Spielzeit auf die Bühne brachten, kann mit diesen Feiertagen nichts anfangen, lehnt die Freude, das Singen und die Hoffnung auf bessere Zeiten ab. „Humbug“, sagt er – bis ihn sein verstorbener Geschäftspartner und drei weitere Geister besuchen, um den alten Miesepeter und Geizhals zu läutern. Eine berühmte, zeitlose Geschichte, die das Bonner Ensemble mit viel Spielfreude und jeder Menge kreativer Einfälle umsetzt, ohne sich dabei besonders weit von der Vorlagen zu entfernen. Dazu eine phantastische Bühne (Gesine Kuhn) und eine in ihrer Schlichtheit großartige musikalische Live-Untermalung durch Tobias Cosler: Ein Genuss für groß und klein.
Natürlich steht und fällt alles mit Scrooge. Doch Stefan Preiss mimt den alten Weihnachtshasser facettenreich: Schon in den ersten Szenen schwebt unter dem misanthropen Gehabe ein Hauch von
Einsamkeit und Sehnsucht nach Gesellschaft mit, die etwa im Gespräch mit dem Geist seines alten Geschäftspartners Marley anklingt; dazu wunderschön nostalgische Gefühle und Trauer um verpasste
Chancen. Die Szene, in der sein früheres Ich (Dennis Pörtner) die geliebte Belle (leider etwas gekünstelt: Johanna Wieking) gehen lässt, während Scrooge, sich selbst verfluchend, hilflos daneben
steht, illustriert die emotionale Tiefe der Figur, die Preiss gekonnt ausschöpft. Neben ihm brillieren vor allem Grégoire Gros als der untergebene, ausgenutzte und dennoch glückliche Bob
Cratchit, sowie Andreas Bittl, der zwar als Mister Fezziwig überzeichnet wirkt und vom Duktus her an Dieter Bohlen erinnert, als Geist der gegenwärtigen Weihnacht und als Erzähler aber eine gute
Figur macht.
Das Besondere an der Bonner Inszenierung sind allerdings die zahlreichen Kleinigkeiten, mit der das Ensemble sowohl Kinder als auch Erwachsene zu fesseln vermag. So etwa das Spiel mit dem
Spiegel, das der scheinbar eitle Scrooge in seinem Heim treibt und in dem manchmal ein Doppelgänger, ab und zu aber auch der Geist Marleys (Grégoire Gros) auftaucht; oder das niedliche
Puppenspiel, mit dem die Kinder in der Geschichte dargestellt werden. Auch die ersten beiden Geister regen dank exzellent-exzentrischer Kostüme (Christine Haller) zum Lachen an: Die eine mit
einem Glühbirnenkranz bekrönt und auf einem Hochrad reitend, der andere in einen riesenhaften, den Illustrationen der Erstausgabe entsprechenden dionysischen Bodysuit gekleidet. Und all das in
einer mit einfachen Mitteln gestalteten und gerade dadurch so bezaubernden Bühne, ohne große Technik, aber dafür mit viel Gefühl für das Wesentliche.
Bei all diesem Lob ist jedoch ein Wort der Warnung angebracht: Obwohl die Inszenierung sich bewusst an Familien richtet, ist sie zumindest für kleine Kinder nur bedingt geeignet. Schon die
spektakuläre Kostümierung des Ketten schwingenden Marleys birgt das Potenzial für spätere Alpträume, die Reise mit dem Nazgul-ähnlichen Geist der zukünftigen Weihnacht garantiert diese geradezu.
Vor allem die Grabszene wirkt nicht zuletzt dank einer entsprechend gruseligen Musik äußerst düster – dem Kindergarten sollte der die Aufführung besuchende Nachwuchs daher schon entwachsen sein.
Dann jedoch ist „A Christmas Carol“ die perfekte Einstimmung auf Weihnachten: Ein Fest für die ganze Familie.
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