Wilfried Schmickler: Endzeitprediger mit Wut im Bauch

 

Eigentlich ist die Apokalypse schon längst angebrochen. Zumindest in politischer Hinsicht, und auch in wirtschaftlicher. Kein Silberstreif am Horizont, die Situation ist so verfahren, wie sie nur sein kann. Jetzt kommt es knüppeldick – warnt zumindest Endzeit-Kabarettist Wilfried Schmickler, der am Freitagabend seine düstere Botschaft im Bonner Pantheon verkündet hat. Und liest dem Volk kräftig die Leviten. Denn irgendeiner muss es ja tun.

Mit der Sprachgewalt eines Tornados fegt Schmickler auf die Bühne. Ganz relaxt – von wegen. Schon die ganze Bundespräsidentenparade der vergangenen Jahre bringt den energischen Wutbürger auf die Palme, ebenso wie die gebetsmühlenartig ausgerufene Forderung nach kontinuierlichem Wachstum. Denn Wachstum ist gut: Wenn der doofe Regenwald das endlich mal umsetzen würde, gäbe es in Pakistan keine Überschwemmungen mehr und in Russland keine von Dürre geplagten, in Flammen stehenden Wälder. Wachstum, die einzig wahre Antwort. Schmickler kommt bei dem Gedanken die Galle hoch. Zu sehr erinnert diese als Heiliger Gral gefeierte Lösung immerhin an ein Krebsgeschwür, das selbst die besten Ärzte nicht mehr behandeln können. Aber Hauptsache weiter auf dem festgesteckten Kurs, ja kein umdenken oder umlenken – sonst würde ja vielleicht jemand bemerken, dass das Steuer schon lange verfault ist.

 

Nein, die einzige Kraft, die Wachstum schafft, ist die Gier. Und ihre Brut, der Neid. Das Sehnen der Massen nach etwas, was wenige ihr eigen nennen, das ist der Antrieb des Narrenschiffs. Ein gefährlicher Treibstoff, vor dem Schmickler mit einigen Versen warnt, die in Sprache und Metrum so auch von Mephistopheles hätten kommen können. Und als wäre das noch nicht genug, setzt Moritatensänger Schmickler viermal leicht tänzelnd zu einem Lied an – musikalisch verbesserungswürdig, sprachlich aber auf allerhöchstem Niveau. Chapeau für diese literarische Meisterleistung.

 

Müsliautos, getunte Cheeseburger namens Rösler und Bahr aus den geheimen Versuchslaboren der Parteizentralen, die unerträglichen verbalen Dauerprügel für Lehrer, während immer mehr Eltern in der Erziehung versagen, der Niveaulimbo in der Jugendsprache, Demütigungen und Voyeurismus im Fernsehen, die Vitaminreduktion im Grünzeug und die Gleichsetzung von Rauchern und Pariahs: Wilfried Schmickler findet immer mehr, über das er sich aufregen könnte. Und es auch tut. Bissig wie ein aufgehetzter Pitbull und so gnadenlos wie ein mittelalterlicher Henker, die mächtige Wortaxt kräftig nach rechts und links schwingend. Na gut, vorwiegend in die konservativ-liberale Richtung, denn aus seiner politischen (und gesellschaftlichen) Gesinnung macht der Mann in Schwarz keinen großen Hehl. Immer feste drauf auf das Spießbürgertum und die regierende Riege um die unermüdliche Duracell-Kanzlerin Angela Merkel.

 

Bei all seinen Hieben gegen Politik und Gesellschaft kommt Wilfried Schmickler an einer Institution nicht vorbei: der katholischen Kirche. Natürlich geht er auf den Missbrauchsskandal ein, steigt sogar in den Beichtstuhl und fragt den Beichtspiegel zum sechsten Gebot mit zunehmender Intensität und Erregung ab. Und dann setzt er gar zu einer Predigt an. Aber zu was für einer! Mit mehr Energie als der Papst in den vergangenen dreißig Jahren hat aufbringen können wettert Schmickler in seiner finalen Ansprache über Politik, Wirtschaft und gesellschaftliche Verkommenheit. Allen und jedem liest er die Leviten, als ob der Tag des Jüngsten Gerichts bereits gekommen sei und Schmickler zum Hauptankläger ernannt wurde. Doch der verdammt nicht, zumindest nicht alles. Noch ist Zeit, sich zu wehren gegen Ungerechtigkeit und Unfähigkeit der Herrschenden. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist: Saures!“ Amen.

 

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