WDR Bigband: Treffen der musikalischen Generationen

Unterschiedlicher hätten die Formationen nicht sein können, die am Freitagabend im bis auf den letzten Platz besetzten Telekom-Forum in Beuel das Jazzfest Bonn eröffnet haben: Technophilie trifft auf den Ragtime-Sound der 20er und 30er Jahre, avantgardistische Struktur auf klassisches Big-Band-Arrangement. Dombert's Urban Jazz und die WDR Big Band (letztere zusammen mit dem italienischen Pianisten Raphael Gualazzi) begeisterten die gut 800 Fans im Publikum mit Sounds für jeden Geschmack. Musikalisch gesehen ein Treffen der Generationen.

Als um 19.30 Uhr die erste Hälfte des Doppelkonzerts beginnt, müssen manche Ohren erst einmal ihre Hörgewohnheiten ändern, auf neue, unerwartete Klänge umschalten. Elektronische Versatzstücke umfließen ein funkig-rockiges Fundament aus Gitarre, Bass und Schlagzeug; dazu ein leicht entrücktes Saxofon, das sich stellenweise kaum gegen die tonale Macht der restlichen Band behaupten kann. Danach etwas meditatives und doch irgendwie schräges, im Hintergrund währenddessen irgendwelche belanglosen geometrischen Figuren, die Video-Jockey Tim Fehske auf die Bühnenwand wirft. Und immer wieder Elektro-Klänge. Space Jazz. Kein Zweifel, die Musik von Dombert's Urban Jazz ist eine Herausforderung für den Hörer – wenn auch eine qualitativ hochwertige Herausforderung. Vor allem Gitarrist Andreas Dombert, das Hirn hinter den Kompositionen, beweist eine bemerkenswerte Virtuosität, lässt seine Finger wunderbar weich über die Saiten jagen. Auf der anderen Seite der Bühne sein Gegenpart: Der Dorsch, Peter Sandner, der Mann an den Keyboards, Samplern und Sequenzern, der es teilweise etwas zu übertreiben scheint – ein Eindruck, der aber vielleicht lediglich der zu hohen Lautstärke geschuldet ist. Aber selbst daran gewöhnt sich das menschliche Ohr, wie an fast alles. Und ob es nun an der zunehmenden Souveränität der Band oder eben dem Gehör liegt, werden die Stücke gegen Ende des Konzerts immer zugänglicher, immer angenehmer: Das mit einem gute-Laune-Beat unterlegte „Sway to the Music“ ebenso wie das vorwärtsdrängende „Grinsekatze“. Ja, die Musik klingt immer noch modern. Aber gut.

 

Völlig anders beginnt dagegen der Auftritt der WDR Big Band: Genau so, wie erwartet. Die Saxofone, Posaunen und Trompeten erklingen mit gewohnt perfektionierter Präzision. Jeder Akzent sitzt. Klar, immerhin ist die Kölner Formation eine der besten, wenn nicht gar die beste Big Band der Welt. Bandleiter Michael Abene sitzt am Klavier, haut kraftvoll in die Tasten, will somit vielleicht auch ein Zeichen in Richtung Raphael Gualazzi setzen: Sieh her, ich kann auch spielen. Und dann kommt Gualazzi. Zwei Jahre jünger als Andreas Dombert und doch musikalisch aus einem ganz anderen Jahrzehnt, aus den 20er oder 30er Jahren. Fats Waller hört man aus seinem Spiel raus, wenn der Italiener in wahnwitziger Geschwindigkeit über die Tasten huscht und einen atemberaubenden Stride spielt. Oder Art Tatum. Oder den Tastenzauberer Liberace, vor allem wenn der Anschein entsteht, dass es nicht noch schneller gehen könnte und Gualazzi wie etwa bei „Caravan“ grinsend das Tempo weiter steigert. Doch egal was der junge Mann am Piano versucht – die Big Band zieht mit. Ohne mit der Wimper zu zucken. Und ohne dabei hektisch und zu laut zu werden. Erstklassig. Vor allem Bassist John Goldby und Drummer Hans Dekker verdienen für diese Kunst ein besonderes Lob und werden am Ende des Konzerts mit noch kräftigerem Applaus bedacht als der Rest der hochkarätig besetzten Big Band mit ihren hervorragenden Solisten, die an dieser Stelle leider nicht alle aufgezählt werden können. Ein kurzes Fazit sei jedoch noch gestattet: Dieser Auftakt verspricht für die kommende Woche Großes. Sehr schön.

 

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