Florian Schröder: Ruderlos im Meer der Möglichkeiten

 Der Mensch könnte so viel tun, macht auch von allem etwas – nur meistens leider nichts richtig. Sagt zumindest Florian Schröder, der am Donnerstag im Bonner Pantheon zwischen politischem und philosophischem Kabarett hin und her schwamm und sich ab und zu, wenn sich die Tiefe des gerade angeschnittenen Themas beängstigend offenbarte, in die seichten Gewässer der Comedy zurückzog. Eben von allem etwas...

 

Kein Ruder, kein Kompass, kein Ziel: Ein klares Konzept scheint in Schröders Programm „Für alles offen und nicht ganz dicht“ zu fehlen. Beinah willkürlich treibt der 32-Jährige auf dem Meer der Möglichkeiten umher, erläutert die Thesen des neuen Sarrazin-Buches, analysiert dann aber lieber die Ergebnisse der NRW-Wahl, als sich genauer mit der Euro-Krise auseinanderzusetzen, und regt sich schließlich, aus welchem Grund auch immer, über eine hier nicht näher genannte Versicherung und einen Frühstücksflockenhersteller auf, deren Werbung dem Müsliphoben sehr gegen den Strich geht. Das Niveau unterliegt dabei einem Wellengang: Witze über den Sprachstil Phillip Röslers sind nun wirklich nicht originell, auch die kritische Betrachtung des Piraten-Erfolgs offenbart einige Lücken – beim Thema Gauck bietet Schröder dagegen exzellente, feinsinnige Pointen, unterfüttert durch sein großes Imitationstalent. Geht doch.

 

Besonders gefällt sich Schröder allerdings als als Motivationstrainer, Mental-Coach und Starbucks-Kafeesatz-Philosoph. Nur ohne „Tschaka“-Rufe. „Wir üben jetzt das Ja-Sagen“, ruft er gegen Ende der ersten Programmhälfte, bringt das gesamte Publikum auf die Beine und lässt sie mit den Armen wedeln. Ja-Sagen – aber zu was? Denn immerhin haben wir, so Schröder, „bei den großen Fragen keine Wahl“ – die gebe es lediglich bei Starbucks, und selbst da sind die Unterschiede zwischen „tall“ und „grande“ nur durch die vom Unternehmen vorgenommene Zuordnung, nicht aber durch die Sprache an sich erkennbar. „Ich möchte nicht mehr wollen müssen“, will keine Wahl mehr treffen, bekennt Schröder da in perfekter Anlehnung an den Westentaschen-Philosophen Richard David Precht.

 

Dabei geht es auch einfacher, unverkrampfter, lockerer. Zumindest wenn das Publikum so mitspielt wie im Pantheon. Als Schröder Fragen aus dem Publikum zulässt, versucht eine Mutter sogleich, ihre Tochter mit dem 32-Jährigen zu verkuppeln, woraufhin dieser mit viel Witz und Charme kontert und auch die anderen Gäste in das Gespräch mit einbezieht, sie sein Alter erraten lässt und bei einem kleinen Quiz einen Espresso verlost. Es sind fantastische Minuten, in denen die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum aufgehoben ist und in denen Florian Schröder viel natürlicher, viel authentischer erscheint als bei seinen Philosophie-Vorträgen, die zu einstudiert, zu gekünstelt und oft auch zu pathetisch wirken, egal wie amüsant und partiell zutreffend sie inhaltlich auch sind.

 

Wohin soll der Kurs gehen? Diese Frage, die Schröder als so essentiell betrachtet, beantwortet er für sich selbst nicht. In seinem Programm versucht er, die Seriosität des politischen Kabaretts mit der Intelligenz eines philosophischen Diskurses und der Coolness der Gesellschaftskritik zu vereinen und wird somit ungewollt zu einer fleischgewordenen Schavatte. Unterhaltsam ist diese Kombination zwar, daran besteht kein Zweifel, doch wäre noch viel mehr möglich – zumal Schröder über ein immenses Potential verfügt. Jetzt müsste er dieses nur noch in Form bringen, Ruder und einen Kompass daraus schnitzen. Und vielleicht noch ein Segel aufziehen.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0