Rheinkabarett: Aller guten Dinge sind vier

Der Meister ist abgetreten, doch die Getreuen halten durch: Obwohl Andreas Etienne Ende vergangenen Jahres sowohl auf als auch hinter der Bühne (vorläufig) abgedankt hat, macht das Rheinkabarett als Haus-Ensemble der „Springmaus“ weiter und hat jetzt mit „Nur über meine Leiche“ die erste Produktion in der neuen Besetzung präsentiert. Mit Erfolg, wie die Reaktionen des Publikums zeigen. Denn auch wenn sich manche Dynamik erst noch entwickeln muss, hat das Team mit der wandlungsfähigen Susanne Pätzold doch eine veritable Nachfolgerin für Etienne gefunden, die alles mitmacht – und dem Quartett sogar einige neue Türen öffnet.

Einer der größten Unterschiede zu früheren Programmen ist der gestiegene Anteil an Liedern. Das ist nicht immer von Vorteil, zumal die Handlung darunter leidet und verschiedene Szenen beliebig wirken, unnötig reduziert und nicht konsequent ausgespielt, was insbesondere den erfreulich gesellschaftskritischen Passagen mitunter im Weg steht.  Andererseits kann das Quartett sich nun auch an Nummern heranwagen, die sie mit dem eher gesangsscheuen Andreas Etienne nicht hätten umsetzen können. Dazu gehört eine Version von Simon & Garfunkels „Scarborough Fair“ (inklusive Gegenstimme), das durch Nina Simone unsterblich gemachte „Feelin’ Good“ und eine fantastische Umdichtung von „Bohemian Rhapsody“, bei der das Ensemble wirklich alles gibt. Und gewinnt. Nur auf das kopfstimmenlastige „Staying Alive“ hätte es besser verzichtet.

Inhaltlich greift das Rheinkabarett auf ihre ganz eigene Weise die steigende Wohnungsnot im urbanen Raum auf: Eine leicht verschrobene Haus-WG erhält unverhofft die Penthouse-Wohnung der alten Schreckschraube unterm Dach, die mit ihrem Latino-Lover nach Ibiza ziehen will und ihren „geliebten“ Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern ihr sowohl erstes als auch letztes Geschenk machen will. Klar, dass dieses einen Pferdefuß hat. Denn Cosima Seitz, Christoph Scheeben und Michael Müller dürfen die oberste Etage nicht etwa nach ihren Vorstellungen ausbauen, so dass sowohl der Yoga-Tempel als auch die Paintball-Anlage und die Babyrobben-Schutzzone ad acta gelegt werden müssen. Stattdessen muss das Trio die Wohnung zu einem Spottpreis vermieten, und zwar an einen einstimmig gewählten Interessenten. Was angesichts der eigenwilligen Personen, die sich vorstellen, gar nicht so einfach ist. Wer will schon einen aufgekratzten Mobilitätsplaner mit einem Gott-Komplex oder eine Esoterikerin mit einem direkten Draht zu den außerirdischen Funghilushi von Wangerooge? Auch Kardinal Woelki muss nicht sein – eine Rolle übrigens, die Susanne Pätzold mit viel Witz spielt. Ohnehin hat sie die mit Abstand meisten Kostüm- und Rollenwechsel zu bewältigen, meistert diese Aufgabe aber bravourös.

Die hohe Schlagzahl an neuen Figuren ist ja nicht grundsätzlich ungewöhnlich, erweist sich in dieser Produktion allerdings sowohl als Stärke als auch als Schwäche. Am überzeugendsten wird das Spiel letztlich dann, wenn sich das Quartett ein wenig Zeit lassen kann, um die Geschichte zu erzählen: Wenn ein Duo bei einer Telefon-Hotline einen verzweifelten Ehemann, der doch nur Karten für David Garrett bezahlen möchte, gnadenlos auflaufen lässt, ist das ebenso herrlich wie der Auftritt einer Wohnungs-Interessentin, die alle drei WG-Mitglieder spiegelt und mit ihnen synchron spricht. Richtig böse ist zudem Michael Müller als abgebrühter Immobilienhai, der Schlafplätze unter der Kennedybrücke vermietet und dabei mehr Geld verlangt als das Springmaus-Trio für die Penthouse-Wohnung. Die bleibt übrigens letztlich leer. Schade, hätte doch zumindest Susanne Pätzold es verdient, den Zuschlag zu bekommen. So bleibt das Ende eher unbefriedigend. Dennoch ist das Premieren-Publikum begeistert und bedankt sich am Ende mit stehenden Ovationen.

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