Andreas Kümmert: Entfesselt, ehrlich, gigantisch

Endlich ist er angekommen. Zehn Jahre hat es gedauert, bis Andreas Kümmert mit sich und dem Blues im Einklang ist, zehn nicht immer ganz einfache Jahre für einen, der einst bei „The Voice of Germany“ gewonnen hat und doch mit seichtem Pop vom Reißbrett nichts zu tu haben will. Zehn Jahre, in denen er gegen eine Angststörung kämpfte, gegen die Erwartungen der Öffentlichkeit und mitunter auch gegen sich selbst. Ein langer Zeitraum. Jetzt aber ist Kümmert samt seiner Band in der gut gefüllten Harmonie zu Gast – und explodiert geradezu, den Zwölftakter mühelos meisternd und sich zu eigen machend. Was für ein Konzert. Was für ein Genuss.

Für Kümmert ist es ein Debüt, nicht wegen der Harmonie, in der er schon mehrfach zu Gast war, sondern wegen der sechs Musikerinnen und Musiker an seiner Seite, mit denen er noch nie zuvor in Bonn aufgetreten ist. Zuletzt war er meistens solo oder mit nur einem Begleiter unterwegs, was seine stilistischen Möglichkeiten ein wenig einschränkte: Die Songs waren eher folkig als rockend, eher reduziert denn wuchtig, und auch wenn der 37-Jährige so ziemlich alles singen kann, musste er sich doch stets bremsen. Jetzt nicht mehr. Ein Quartett aus Schlagzeuger, Keyboarder, Gitarrist und Bassist sowie zwei Background-Sängerinnen stützen ihm nun den Rücken, schieben ihn geradezu nach vorne und fordern Kümmert geradezu auf, alles zu geben. Und der liefert ab. Mit Nachdruck. Selbst in der Harmonie, die insbesondere für die regelmäßigen Bluesrock-Konzerte über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt ist, erlebt man so ein Konzert nicht alle Tage. Die Energie Kümmerts kann sich durchaus mit der von King-King-Frontmann Alan Nimmo messen, sein Gitarrenspiel mit dem von Popa Chubby und seine Bandbreite mit der der Blues Brothers. Mal röhrt er aus tiefster Seele die Verse in den Saal, dann wieder stimmt er zusammen mit seiner souveränen Band in feinen mehrstimmigen Harmonie-Gesang ein – und immer, wirklich immer, klingt seine Stimme kantig, mitternachtsschwarz und zutiefst ehrlich, ganz anders also als auf seinen für den Pop-Mainstream abgemischten Platten. Selbst „Simple Man“, das Kümmert 2013 für das Castingshow-Finale geschrieben hatte, wird auf einmal griffig statt glatt, was dem Song extrem gut steht.

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Ein paar Pop-Momente gibt es allerdings dennoch; zum Glück, muss man im Nachhinein eingestehen. Kümmert hat nämlich kurzerhand die Wachtbergerin Anny Ogrezeanu eingeladen, die so wie einst er 2022 die zwölfte Staffel von „The Voice of Germany“ gewann und die nun in der Harmonie das zusammen mit Calum Scott geschriebene „Run With Me“ sowie eine bisher unveröffentlichte Eigenkomposition vorstellen darf. Dann noch ein Duett, natürlich Leonard Cohens „Hallelujah“, und bei der Menge gibt es kein Halten mehr. Ohnehin kommen alle Nummern dieses Abends hervorragend an, sowohl die aus Kümmerts eigener Feder als auch die diversen Cover-Songs wie etwa „Guilty“ von Nazareth und natürlich Elton Johns „Rocketman“, mit dem Kümmert damals den Einstieg in „The Voice of Germany“ gelang und den er sich längst auf eindrucksvolle Weise zu eigen gemacht hat, mit ganz viel Blues in der Stimme und noch mehr Soul im Herzen. Einfach herrlich.

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