„The Duchess of Malfi“: Im Königreich des Verbrechens

Gewalt, Drogen und andere krumme Geschäfte bestimmen das Leben in Malfi. Dealer, Schläger und andere Gangster gehen weitgehend unbehelligt ihren Geschäften nach, geschützt von einem geschwisterlichen Triumvirat aus Herzogin, Herzog und Kardinal. Doch dann heiratet erstere heimlich ihren Haushofmeister Antonio – und bringt so ihre eifersüchtigen Brüder gegen sich auf, bis die Straßen von Malfi rot vor Blut sind. So zumindest ist die Inszenierungsidee der Bonn University Shakespeare Company, die das Stück des Shakespare-Zeitgenossen John Webster in der Brotfabrik aufführt. Was allerdings nicht so ganz aufgeht.

Im Grunde ist der Ansatz von Regisseur Marc Erlhöfer, der sich an verschiedenen Stellen offenkundig von Quentin Tarantino inspirieren lässt, sowohl nachvollziehbar als auch überaus reizvoll, zumal sich sowohl Bühnen- als auch Kostümbildner in der Ausgestaltung von insgesamt drei Plattformen und zahlreichen Akteuren selbst übertroffen haben. Doch reicht die Metamorphose einer italienischen Kleinstadt in eine Mini-Version von Sin City allein nicht aus, um Websters Stück in die Gegenwart zu holen. Wie glaubwürdig sollen schließlich Straßenkämpfer sein, die antiquiertes, viktorianisches Englisch reden, während sie gleichzeitig mit Maschinenpistolen herumfuchteln und in Handys schreien? Doch vor einer Anpassung der Sprache schreckt das Ensemble zurück und erschafft so zahlreiche Anachronismen, die im besten Fall zum Lachen animieren, oft aber einfach nur unnötig scheinen. Diese Diskrepanz können noch am besten jene überbrücken, die am meisten Bühnenerfahrung aufweisen können: Lisa Pohlers ist als Herzogin vor allem dann gut, wenn sie leidet oder zürnt; Laura Quintus spielt die verführerische Julia, die Geliebte des Kardinals, mit einer geschickten Mischung aus Femme Fatale und Mata Hari; und Esther Takats überzeugt mit ihrem Borsola, der im Zentrum all der Morde und des Verrats steht, vor allem in einer Kampfszene, die direkt aus „Kill Bill“ stammen könnte. Spannend auch Izzy Langner als Herzog Ferdinand, dessen inzestuöses Verlangen nach seiner Schwester zwar nur bruchstückhaft erfahrbar wird, dessen zunehmender Wahnsinn (samt vermeintlicher Lykanthropie) aber zu den eindrucksvollsten Charakterentwicklungen gehört.

Ohnehin sind es die großen emotionalen Momente und die blutrünstigen Szenen, die der BUSC am besten gelingen. Die Erdrosselung der Herzogin, die Ermordung Julias durch den Kardinal mit Hilfe einer schweren Bibel oder auch das schon genannte letzte Gefecht Borsolas sind durchaus eindrucksvoll – der Rest wirkt dagegen austauschbar, ja geradezu beliebig. Oder unsinnig, wie der ungewollte Angriff Borsolas auf Antonio: Im Original findet diese Attacke, die eigentlich dem Kardinal gilt, aus nachvollziehbaren Gründen im Dunkeln statt, nicht aber auf einer hell erleuchteten Bühne, mit einer direkten Sichtlinie zwischen Opfer und Täter. Diese und andere inszenatorische Schwächen verhindern, dass das Publikum mit den Figuren mitfiebern und mitleiden kann, das Täter zu Opfern werden und die mörderische Fehde irgendetwas bewirkt. Die zahlreichen Tode sind letztlich obsolet, zumal die BUSC im Gegensatz zu früheren Produktionen an Kunstblut spart. Das hätte Tarantino nie getan. Immerhin, die letzte Szene wird ihm dann doch gerecht: Da nimmt der Bäcker Delio (Lukas Albert), der letzte Überlebende des Massakers von Malfi, seine Mütze ab, legt sie auf den geschundenen Körper seines Freundes Antonio, nimmt dessen Kind an sich und geht. Ein Happy End ist das nicht. Aber zumindest ein gutes Ende.

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