Roland Kaiser: Wer nicht spielt, muss tanzen

Monotonie kann man Roland Kaiser sicherlich nicht vorwerfen: Bei seinem Auftritt auf dem KunstRasen am vergangenen Freitag hat der Grandseigneur des deutschen Schlagers zumindest musikalisch alle Register gezogen, hat zusätzlich zu seiner wandlungsfähigen Band ein Streichquartett sowie ein Bläser-Trio auf die Bühne geholt und ist damit in gut zweieinhalb Stunden durch zahlreiche Genres mäandert. Eine beeindruckende Leistung des 71-Jährigen, der an diesem Abend bestens gelaunt war. Warum auch nicht? Rund 9000 Menschen waren gekommen, um mit ihm bei traumhaftem Wetter Kaisermania zu feiern und zumindest vorübergehend an eine heile Welt zu glauben. Und die kann nun einmal niemand besser präsentieren als Roland Kaiser.

Zugegeben, die Strophen sind noch immer so altbacken wie eh und je, gespickt mit Schlüsselthemen des deutschen Schlagers der 50er bis 70er Jahre, in denen es wie so oft um Liebe geht, um Sehnsucht und um das gute Leben. Die kaiserlichen Texte, sie triefen nur so von Pathos und Schmalzigkeit, doch genau das erwartete das Publikum, das sich begierig in die kollektive Glückseligkeit führen ließ. Muss man mögen. Andererseits war die stilistische Vielfalt wirklich beeindruckend und deutlich stärker ausgeprägt als noch bei der Comeback-Tour im vergangenen Jahr. „Im 5. Element“  kam mit einem Rockopern-Intro daher, „Midnight Lady“ mit Synthi-Klängen und „Du, deine Freundin und ich“ mit Disco-Grooves und messerscharfen Bläser-Sätzen. Auch Bossa Nova, Swing und Pop fanden sich im Repertoire Roland Kaisers, der den vollen Sound seiner Band sichtlich genoss und sich mit seiner wohlklingenden, volle Stimmen perfekt in selbigen integrierte. Jeder Ton saß, alles fügte sich zusammen. Auch die E-Gitarre, die im vergangenen Jahr noch ein bisschen fehl am Platz gewirkt hatte, fügte sich nun nahtlos in das Gesamtgefüge ein und überzeugte an den richtigen Stellen mit starken Soli, die dank exzellenter Tontechnik auch angemessen zur Geltung kamen.

Und Roland Kaiser selbst, der den distinguierten Ton eines Gentlemans mitunter mit der verspielten Attitüde eines Tom Jones vermischt? Der fühlte sich auf der KunstRasen-Bühne in der Gronau sichtlich wohl und strotzte nur so vor Energie. Die ursprünglich eingeplante Pause übersprang er kurzerhand, weil ihm das begeisterte Publikum mehr als genug Kraft verlieh und weil er einfach Spaß hatte, seine Lieder zu präsentieren. Und die anderer. Trotz seines gigantischen Schatzes an eigenen Songs – nach eigener Aussage hat er mehr als 580 aufgenommen, „und ich denke nicht daran, damit aufzuhören“, wie er sagte – nahm Kaiser unter anderem auch Marius Müller Westernhagens „Lass uns leben“ ins Programm, weil die darin liegende Botschaft auch von ihm stammen könnte. Später gedachte er zudem noch seinem guten Freund Udo Jürgens mit einem exzellenten Best-of-Medley, bei dem schnell klar wurde, warum diese Stücke im Gegensatz zu den Liedern anderer Stars weit über die Schlagerwelt hinaus gewirkt haben und quasi zeitlos sind.

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